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Das Stasi-Akten-Gesetz ist überfällig

Anders als versprochen legte Schäuble keine Lex Stasi vor/ Öffentlicher Streit soll vermieden werden  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

Zwar kündigte Wolfgang Schäuble noch im Januar einen Gesetzentwurf zum weiteren Umgang mit den Stasi- Akten an, aber die von ihm gesetzte Frist — Ende Februar — ist abgelaufen, der versprochene Entwurf nicht einmal in Sicht. War ursprünglich geplant, eine vom Innenministerium erarbeitete Gesetzesvorlage der parlamentarischen Debatte und Veränderung auszusetzen, so sollen die strittigen Punkte jetzt bereits im Vorfeld innerhalb der Koalition und im Konsens mit der SPD bereinigt werden. Ein gemeinsam eingebrachter Gesetzentwurf ließe sich dann im Bundestag verabschieden, ohne daß es zu der in Bonn befürchteten Debatte um das Stasi-Erbe käme.

Eine Arbeitsgruppe leistet derzeit „Vorarbeiten“, heißt es im Innenministerium. Ziel sei es, „Problemlösungen“ zu finden, die anschließend auf dem Wege der „politischen Weichenstellungen“ in den Fraktionen die „Eckwerte“ eines Gesetzentwurfs bilden sollen. Entsprechend der Koalitionsvereinbarung, daß das künftige Stasi-Gesetz fraktionsübergreifend im Bundestag beschlossen wird, sollen sich nun zuerst die Koalitionsparteien CDU und FDP einigen, um anschließend auch die Sozialdemokraten in das Gesetzgebungsverfahren einzubinden.

Allerdings sind nahezu alle Essentials noch umstritten. Während beispielsweise die Mitarbeiter der früheren Bürgerkomitees zur Stasi- Auflösung eine dezentrale Struktur der künftigen Stasi-Behörde in Händen der ehemaligen DDR-Bürger fordern, plädierte der Innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Johannes Gerster, indirekt sogar für die Abschaffung der bislang zuständige Dienststelle des Stasi- Sonderbeauftragten Jochen Gauck. Kämen Gersters Vorstellungen zum Zuge, würde parallel zu einem zentralen Amt zur Verwahrung und Prüfung der Akten eine Ermittlungsbehörde errichtet, die mit dem Know- how und Personal des Verfassungsschutzes die Stasi-Hinterlassenschaft durchforsten soll. Ein Modell, dem auch die Rechtsexperten der FDP jede Zustimmung versagen wollen. Neben der Organisationsstruktur der künftigen Stasi-Nachlaßverwaltung ist aber auch der weitere Umgang mit den Akten strittig. Die BürgerechtlerInnen aus der alten DDR fordern Seite an Seite mit SPD und Bündnis 90/Grüne konsequent den Erhalt aller Akten — auf der anderen Seite will der CDU-Abgeordnete Heribert Blens die insgesamt 186 Kilometer Papier aber in Organisations- und Sachakten, in Akten über Mitarbeiter und Agenten der Stasi sowie in Unterlagen über bespitzelte Personen unterschieden wissen. Letztere sollen nach dem Wunsch des CDU-Mannes einfach vernichtet werden.

Nachdem die Bürgerkomitees vor knapp zwei Wochen als erste einen Gesetzentwurf vorgestellt haben, hat nun für die FDP deren Rechtsexperte Burkhard Hirsch „Grundsätze“ für die Benutzung der Stasi-Akten aufgestellt (Siehe Dokumentation auf Seite 10). Sie lehnen sich weitgehend an den Forderungen der Bürgerkomitees an. Danach sollen die Opfer des Staatssicherheitsdienstes ein weitgehendes Aktenauskunfts- und Einsichtsrecht erhalten — eine Nutzung des illegal erworbenen Stasi- Wissens bliebe weiter sowohl für die Strafverfolgung als auch die Geheimdienste ausgeschlossen. Allerdings fordert Hirsch eine zentrale Behörde. Ein Schwachpunkt seiner Vorschläge ist aber die Annahme, die Stasi-Unterlagen ließen sich in Opfer- und Täterakten trennen. Ignoriert wird damit die fließende Grenze zwischen Tätern und Opfern, etwa in den Fällen, wo die „informellen Mitarbeiter“ nicht nur Spitzelberichte für die „Firma“ fertigten, sondern selbst Gegenstand einer Stasi- Überprüfung waren.

Auch die SPD tendiert — obwohl innerparteilich noch keineswegs das letzte Wort gesprochen ist — zu den Vorstellungen der Bürgerkomitees. „Oberstes Gebot“, formuliert der aus der DDR stammende Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz, „ist der Erhalt aller Akten.“ Darüber hinaus müssen die noch verstreuten Akten zusammengeführt werden: Sie lagern noch immer bei Organen und Behörden, die mit der Stasi kooperierten, bei Betrieben oder Massenorganisationen. Neben den Akten der SED gehören für ihn daher auch die Unterlagen der Blockparteien in ein Stasi-Archiv. Eine Dezentralisierung der Gauck-Behörde kommt für den SPD-Politiker daher nicht in Frage. Ob die Sozialdemokraten, die in den nächsten 14 Tagen eine eigene Arbeitsgruppe zu diesem Thema einrichten wollen, mit einem eigenen Gesetzentwurf in die Diskussion eingreifen wollen, ist noch unklar.

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