: Hitler goes Broadway
■ »Frühling für Hitler« von Mel Brooks im Sputnik Wedding
Der Führer, das unbekannte Wesen— dieses gravierende Problem existiert seit Hitlers Tod (vorher hatte man/frau weniger Einfühlungsschwierigkeiten). Viele haben sich in den letzten 46 Jahren die Aufgabe gestellt, den Führer zu begreifen. Albert Speer hielt sich an intime Plauderstündchen, Joachim C. Fest schrieb eine Hommage, Alice Miller erkundete Klein-Adis Kinderseele, Jenninger erblickte ein Faszinosum, und Enzensberger entlarvte ihn als deutschen Vorläufer Saddam Husseins.
Auch Franz Liebkind (Kenneth Mars) möchte im Film von Mel Brooks der Welt den Führer mal so zeigen, wie er wirklich war — so, wie er ihn kannte und liebte, den wahren Hitler, der mit einem Lied im Herzen und einem schönen braunen Hemd darüber. Darum hat der durchgeknallte Nazi ein Theaterstück geschrieben: »Frühling für Hitler«— darin steht die Wahrheit über den verehrten Führer: ein brillanter Tänzer, Sänger, Komponist und Liebhaber war er, mit Herz und Schmerz und blankgewichsten Stechschrittstiefeln. Fragt sich nur, wer solch einen Stuß auf die Bühne bringt. Mel Brooks gibt die Antwort: ein ebenso durchtriebener wie heruntergekommener Broadway-Produzent (Zero Mostel) und ein Buchhalter (Gene Wilder) sind auf der Suche nach dem schlechtesten Stück aller Zeiten. Ihr Plan: Mit großen Versprechungen und fremdem Kapital produzieren sie den Flop des Jahrhunderts, können den Geldgeberinnen (alles alte Damen) keinen Gewinn zurück zahlen und brennen mit einem Koffer voll Geld nach Rio durch. »Frühling für Hitler« ist dafür genau das richtige Stück. Um den Durchfall perfekt zu machen, engagiert man einen hundsmiserablen Regisseur, und für die Hauptrolle wird ein Flower-Power- Acid-Pop-art-Künstler mit Gedächtnisschwund aufgetrieben. Dummerweise ist das Stück dermaßen unter aller Sau und jenseits von Gut und Führer, daß das fröhliche Treiben mit Adolf und Eva in Berchtesgaden zur großen Ablachnummer wird — das Publikum ist begeistert. Mit diesem Film lieferte Mel Brooks 1967 die richtungsweisenden Grundpfeiler der Theorie zu Spaß an Trash und Geschmacklosigkeit. Später erweiterte Brooks seine Überlegungen: »Für spezielle Filme ist kein Platz in diesem Geschäft. Du mußt ihnen entweder einen über den Schädel hauen, oder du bleibst zu Hause bei deinem Kanarienvogel.«
Wie man ihnen eins über den Schädel zog, das hatte Mel Brooks früh gelernt. Zwischen 1950 und 1954 arbeitete er als Gagschreiber für die Samstagabend-TV-Show Your Show of Shows von Sid Caesar. Zusammen mit sechs anderen Gagschreibern saß Brooks eingepfercht in einem Büro in Manhattan und produzierte Witze am laufenden Band. Man saß zwar zusammen in einem Raum, aber arbeitete gegeneinander. Jeder wollte der Oberwitzbold sein. Zu den Gaglieferanten, die dort ihre Karriere begannen, gehörten unter anderem Joe Stein (Fiddler on the roof), Larry Gelbhart (M.A.S.H.)-TV-Serie), Mike Stewart (Hello Dolly) und später auch Woody Allen. »Jeder haßte jeden«, meinte Mel Brooks über das Arbeitsklima. Anders gesagt: ein hervorragendes Trainingsprogramm, um 1967 den ersten Schädelhauer zu landen: Springtime for Hitler — a gay romp with Adolf und Eva in Berchtesgaden. Der Film über zwei Produzenten, die mit einem Flop den großen Reibach machen wollen, war allerdings selbst ein Reinfall. Erst ein zweiter Anlauf unter dem neuen Titel The Producers brachte den Erfolg.
Das Bühnenstück im Film ist von geradezu erhebender Geschmacklosigkeit. Es beginnt mit sechs deutschen Jungs und sechs ebenso deutschen Mädchen, gekleidet mit traditionellen Landsmannschafts- bzw. Landsfrauschaftskostümen, die sich zum musikalischen Opening formieren. Stellen Sie sich Broadway-Glamour vor, mit einer großen, weiten Treppe auf der Bühne und riesigen Hakenkreuzfahnen im Hintergrund. Der Chor sing: »Germany was having trouble,/ what a sad, sad story.../ Needed a new leader to restore/ it's former glory.../ Where oh, where was he, who could that man be./ We looked around, and then we found,/ The man for you and me/ and now it's... (Der Führer in SS-Uniform betritt die Bühne und singt weiter) »Springtime for Hitler and Germany/ Deutschland is happy and gay.../ We're marching to a faster pace/ look out, her comes the Master Race.../ Springtime for Hitler and Germany/ Winter for Poland und France.../ Springtime for Hitler and Germany/ Come on Germans, go into your dance!«
Das ist einsame Spitzenklasse, die oft in der BRD, dem Rechtsnachfolger des Dritten Reiches, auf Unverständnis stießt. Als Mel Brooks zum Beispiel 1983 das kongeniale Remake von Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein drehte, komponierte er dafür den Hitler-Rap (»Don't be stupid, be a smarty, come and join the Nazi Party! Wo gonna make it to the top. I said Heil — Heil myself«) — unterlegt mit Disko-Marschrhythmus und der Deutschlandhymne, fand der Hitler- Rap in den USA großen Anklang, mußte aber bei der deutschen Betroffenheitslinken auf scharfe Ablehnung stoßen (wg. Zynismus etc.). Über Hitler darf man nicht lachen. Weil Mel Brooks Jude ist, billigte man ihm hierzulande dann aber doch mildernde Umstände zu. Wenn das der Führer wüßte. Volker Gunske
Frühling für Hitler , USA 1967. Von Mel Brooks mit Zero Mostel, Gene Wilder, Kenneth Mars, Pick Shawn. Sputnik Wedding, täglich 19.30 Uhr. Deutsche Fassung.
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