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Stasi-like-betr.: "Kirche in den Armen der Krake Stasi", taz vom 25.2.91

betr.: „Kirche in den Armen der Krake Stasi“, taz vom 25.2.1991

Klaus Wolschners Aufdeckungen über hauptamtliche kirchliche Mitarbeiter könnten bestimmt noch fortgeführt werden. Sicher wird das auch geschehen. Ich möchte aber bei dem jetzt Veröffentlichten erst mal innehalten und auf eine Seite hinweisen, die bei Wolschner mehrmals anklingt, aber eben nur anklingt.

Manche Pfarrer kamen aus theologischen Gründen zu ähnlichen Schlußfolgerungen und Einstellungen wie die Stasi. Ihr Ausgangspunkt war (natürlich) ein völlig anderer, aber ihr Ergebnis war fast Stasi-like. Beispiel: „Eine Bibliothek mit vorwiegend nicht-religiösen Titeln gehört nicht ins Gemeindehaus der Kirche.“

Aus heutiger Sicht ist man schnell geneigt, ihre Haltung als falsch und schädlich zu kennzeichnen, ihnen Stasi-Mitarbeit anzulasten oder doch zumindest, daß sie sich instrumentalisieren ließen. Aus der Sicht gesellschaftlicher Notwendigkeiten ist es auch richtig, die vorwiegend nichtreligiöse Bibliothek in der Kirche zu fordern. Wo sollte sie denn sonst errichtet werden? Und errichtet werden mußte sie!

Aber! Für viele Pfarrer war so etwas wirklich eine Überforderung. Denn: Schon in der Hitlerzeit hatte es sich als gut erwiesen, wenn die Kirche sich auf das enge Feld ihres „Eigentlichen“ beschränkte — andernfalls wäre sie vom Germanochristianismus (den „Deutschen Christen“) erstickt worden. Und wäre es nicht schon zu Zeiten Galileis besser gewesen, die Kirche hätte sich auf das beschränkt, wozu sie wirklich beauftragt ist? Auch in den Zeiten des ganz finsteren Stalinismus war es klug, sich auf dasjenige zu beschränken, was einem von der atheistischen Propaganda zwar madig gemacht, nicht aber verboten werden konnte! Leute mit biographischen Prägungen aus der Hitler- und Stalinzeit konnten also eigentlich gar nicht anders, als derartigen „Öffnungen“ kritisch gegenüberzustehen, Öffnungen in den gesellschaftlichen Bereich, die in den 70er und 80er Jahren erfolgten.

Ich bin selbst Leiter einer Bibliothek der Kirche, welche vorwiegend Titel zum Thema „Umwelt“ — und darunter vor allem nichtreligiöse — gesammelt hat. Das war nicht nur gesellschaftlich notwendig, sondern ist auch theologisch legitim. Diese meine Haltung hat mir die Bearbeitung in einem Zentralen Operativen Vorgang eingebracht. Und obwohl ich nicht nur darunter, sondern auch unter „engen“ Kollegen gelitten habe, möchte ich doch um Verständnis für sie werben. Dabei meine ich nicht die, die für die Stasi direkt und wissentlich gearbeitet haben: die sind Wanzen und haben ja auch als solche funktioniert. Aber es gibt viele andere, denen man einfach lautere Motive zugestehen muß, auch wenn man sie — wie ich — nicht teilt.

Vielleicht kommt man zu einer besseren Sicht der Sache, wenn man das Problem einfach mal andersherum sieht: Nicht sie sind dummerweise zu dicht an Stasi-Positionen, sondern die Stasi ist fatalerweise zu dicht an ihre Positionen herangekommen. Die Stasi hätte ja auch — wie die Deutschen Christen in der Hitlerzeit — die Strategie verfolgen können, Kirche und herrschende Macht möglichst stark zu vermischen (statt, wie es geschah, sie voneinander fernzuhalten). In diesem Falle wären Theologen, die (zum Beispiel) keine nichtreligiöse Bibliothek in ihrer Kirche toleriert hätten, die wahren Oppositionellen gewesen... [...]

Peter Gensichen, Wittenberg

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