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Bravo, Bayern!-betr.: "Bayerns Bevölkerung setzt auf Müllverbrennung", taz vom 19.2.91

betr.: „Bayerns Bevölkerung setzt auf Müllverbrennung“, taz vom 19.2.91

Da war es also doch noch von Erfolg gekrönt, das „Anti-Volksbegehren“, Propagandaunternehmen Bayerns allmächtiger Staatspartei. Wochenlang wurde mit Angstparolen und sachlich falschen Aussagen (um hier nicht das unschöne Wort „Lügen“ gebrauchen zu müssen) das Bürgerkonzept madig gemacht, wurden ökologische und finanzielle Horrorszenarien entworfen, wurde unter tätiger, verfassungsrechtlich bedenklicher Mithilfe der eigentlich zu Neutralität verpflichteten bayerischen Staatsregierung polarisiert, polemisiert und diffamiert.

So gelang es dann doch noch, die treuen Parteiarmeen vor allem im ländlichen Raum zu mobilisieren und den Sieg des „besseren Müllkonzeptes“ zu verhindern. Wohlkalkuliert führte die CSU dabei die Auseinandersetzung um das beste Müllkonzept nicht auf der Basis von Sachargumenten, was angesichts der Evidenz der Müllproblematik zweifelsohne angebracht gewesen wäre (was aber wohl die Vorteile des Bürgerentwurfes gegenüber dem eilig zusammengeschusterten Landtagsflickwerk allzu deutlich hervortreten hätte lassen), sondern mit der gewohnten Schwarz-Weiß-Malerei und primitiv-populistischen Slogans (Grundtenor: Mit uns kommt ihr Müll sicher und billig weg!; das Wohin wurde geflissentlich unterschlagen).

Gerade der deutliche Unterschied im Wahlverhalten zwischen städtischen und ländlichen Regionen zeigt, daß überall dort, wo die Bürger tagtäglich mit den chaotischen Konsequenzen verfehlter Müllpolitik konfrontiert sind, sich das Bürgerkonzept mit seiner qualitativen Überlegenheit in der Sache durchsetzte (siehe München: 65,5% pro Volksbegehren), während in den bezüglich der Müllproblematik weniger sensibilisierten ländlichen Gebieten Parteitreue und bewußt geschürte Ängste (Deponien in jeder Gemeinde, gigantische Müllgebühren, Müll in den Wäldern usw.) den Ausschlag gaben. So konnten diejenigen, denen das volle Ausmaß der sich abzeichnenden Müllkatastrophe noch gar nicht bewußt war, einen zweifelhaften Sieg über die förmlich im Müll erstickende und deshalb zu einer radikalen Wende in der Müllpolitik bereite Bevölkerung städtischer Siedlungsgebiete erringen. Wenn man sich da mal nur nicht ins eigene Fleisch geschnitten hat (als würden nach Annahme des Landtagsentwurfes keine Deponien und vor allem Müllverbrennungsanlagen mehr auch in ländlichen Gebieten gebaut werden).

Darüber hinaus ist allerdings zu fragen, weshalb die CSU überhaupt mit solch großem propagandistischem und finanziellem Aufwand, ja fast schon mit missionarischem Eifer — als gelte es, den Untergang Bayerns zu verhindern — gegen ein zukunftsorientiertes Abfallwirtschaftskonzept Front gemacht hat, wo doch bei der Verfassung des CSU-Entwurfes sogar noch eifrig vom „besseren Müllkonzept“ abgekupfert worden war. Es drängt sich die Vermutung auf, daß hierfür nicht problembezogene sachliche Unterschiede, sondern, wie so oft, wirtschaftliche Interessen (nicht umsonst beteiligte sich die Müllverbrennungsindustrie aufwendig an der „Werbekampagne“ der CSU) und vor allem das ganz spezielle Demokratieverständnis der bayerischen Staatspartei ursächlich waren. Denn es durfte einfach nicht sein, daß in Bayern etwas beschlossen bzw. per Volksentscheid zum Gesetz wird, was nicht aus der Feder der allwissenden und unfehlbaren CSU-Zentrale stammt. Zu groß war wohl die Herausforderung einer engagierten Gruppe von Bürgern, die sich erfrechte, Demokratie ernst zu nehmen, unabhängig vom allvierjährlichen Wahlgang zu einem äußerst drängenden politischen Problem eigenständige Lösungen anbot und diese auch noch auf dem verfassungsgemäßen Weg durchsetzen wollte. Wo kämen wir denn hin, wenn das in Bayern Schule machen sollte; solch demokratisches Selbstbewußtsein mußte doch im Keim erstickt werden.

Auf alle Fälle ist es der CSU und ihren treuen Parteigängern aber gelungen, engagierte und um sachliche Problemlösungen bemühte Bürger gründlich zu frustrieren und ihnen ihre Ohnmacht gegenüber der Allmacht wieder deutlich ins Bewußtsein zu rufen.Bravo, Bayern!Chrsitoph Maier, Puchheim

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