: Der Löwe Krüger duckt sich noch
■ Die Ansichten des SPD-Jugendsenators Thomas Krüger zur Drogenpolitik in Berlin/ Er verweigert die Schirmherrschaft für internationalen Drogenkongreß, weil dort nur eine Meinung vertreten sein würde
taz: Warum haben Sie die Schirmherrschaft über den akzept-Kongreß »Leben mit Drogen?« nicht übernommen?
Thomas Krüger: Ich habe den Eindruck, daß dort nur eine bestimmte Position im öffentlichen Meinungsstreit vertreten wird. Ich habe die Leute von akzept aber zu einem Gespräch eingeladen. Danach kann man auch die Positionen abstecken, die man zu dieser Gesamtfrage hat.
Sie haben noch keine Position?
Doch — die einer differenzierten Drogenpolitik, wie sie in Berlin Tradition hat.
Was halten Sie von der Ansicht des Hamburger SPD-Bürgermeisters und derzeitigen Bundesratspräsidenten Henning Voscherau, der für die staatliche Freigabe harter Drogen plädiert?
In Hamburg wird die Strategie »Haltet den Dieb!« vertreten. Es wird die Vergabe von Heroin an einen kleinen Empfängerkreis gefordert — die Verantwortung wird auf Bundesregierung und WHO verschoben. Hamburg kann sich heraushalten und weiter sparen.
Holland zeigt aber mit seiner liberalen Drogenpolitik und der niedrigschwelligen Methadonvergabe, daß sich die Zahl der Drogentoten und Süchtigen reduzieren läßt.
Ich habe keine Erfahrung mit dieser Szene in Holland. Aber meines Wissens nach gibt es dort keine offizielle Zählung von Drogentoten. Die Amsterdamer Gesundheitsbehörde spricht von 41 Toten und die Polizei von 32 Toten...
In jedem Fall weniger als in Berlin, wo es im letzten Jahr über 100 Drogentote gab.
Sie wollen doch nicht den Zusammenhang zwischen Todesfällen und Drogenpolitik konstruieren.
Sie sehen den nicht?
Man kann nicht unmittelbar von diesem Verhältnis die Effizienz der Drogenpolitik ablesen.
Haben Sie den Eindruck, daß die Politik der Strafverfolgung, des »war on drugs«, erfolgreich war?
Meines Wissens war es in Berlin immer schon so, daß die Polizei sich auf die Bekämpfung des Handels und Schmuggels beschränkt hat. Differenzierte Hilfsangebote müssen da einsetzen, wo die Drogenabhängigkeit besteht...
Voscherau sagt, wer die staatlich kontrollierte Drogenausgabe durch Ärzte ablehnt, droht sich mitschuldig zu machen — weil er die Leute zum Dealer statt zum Doktor zwingt. Machen Sie sich also mitschuldig?
Nein. Sie wissen, daß wir in Berlin die Frage der Substitution diskutiert und praktisch-politisch umgesetzt haben. Mein erste Aktivität im Drogenbereich war übrigens die Eröffnung der Clearingstelle. Ich hoffe, daß das als Signal wahrgenommen wird.
Dennoch wird die Vergabe von Methadon an hochschwellige Bedingungen geknüpft.
Es geht auch nicht um die Versorgung mit der Ersatzdroge, sondern um die direkte Beziehung zwischen Drogenabhängigem und Arzt oder Sozialarbeiter...
Ein Genuß, in den nur 30 von rund 7.000 Süchtigen kommen.
Nicht 30, sondern rund 300. Aber natürlich muß diese Form der Arbeit im Drogenbereich ausgebaut werden. Sie machen doch einen Fehler: Sie machen meine politische Haltung davon abhängig, ob ich die Finanzierung dieses Drogenkongresses übernehme. Ich will mich bewegen und nicht festlegen. Und mein Ausgangspunkt ist nicht der der akzeptierenden Drogenarbeit.
Viele Betroffene halten das aber für sinnvoll.
Ich bin erst einen Monat im Amt und habe bis jetzt nicht mit den Betroffenen sprechen können.
Ihnen erscheinen aber die bisherigen Strategien ausreichend, um den Entwicklungen in der Drogenproblematik gerecht zu werden?
Nein. Weitere Differenzierung und kreative Fortführung dieser Politik sind nötig. Sie haben in Ihrem Kommentar gesagt, daß ich vor einer Auseinandersetzung abducke: Jeder Löwe duckt, bevor er springt. Wir werden wohl noch im März mit einer sehr guten Idee zur Fortentwicklung der bisherigen Berliner Drogenpolitik an die Öffentlichkeit gehen.
In Richtung Liberalisierung?
Wenn Sie unter Liberalisierung legalisierten Drogenhandel und -konsum verstehen, irren Sie. Ich meine eine breite, differenzierte Hilfsangebotsstrategie.
Also nicht kausal, sondern nur palliativ tätig zu werden; nicht die Wurzeln, sondern die Auswirkungen des Übels zu bekämpfen.
So ist es. Interview: Martina Habersetzer
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