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Kuwaits Normalisierung macht kleine Schritte

Der kuwaitische Kronprinz Saad al Sabah kehrte als Kriegsrechtsverwalter in das zerstörte Emirat zurück und wird mit der Forderung nach politischer Demokratisierung konfrontiert/ Der bewaffnete Widerstand bietet dafür Abgabe der Waffen an  ■ von Stefan Schaaf

Berlin (wps/taz) — In den Tagen seit der Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait City hatten die Bewohner der zerstörten Stadt ein neues Spiel entdeckt: Mit Steinen versuchten sie vom Strand aus, die im Meer treibenden irakischen Minen zu treffen. Doch der makabre Spaß fand ein rasches Ende, als die französische Fremdenlegion die gefährlichen Sprengsätze zu beseitigen begann.

Die Normalität kehrt nur in ganz kleinen Schritten in das Emirat am Golf zurück. Noch immer ist der Himmel vom Qualm der brennenden Ölförderanlagen verhüllt — das wird auch noch lange so sein. Noch immer gibt es kein fließendes Wasser, keine Elektrizität und keine Telefonverbindungen. Noch immer ist die Stadt von Truppen der multinationalen Streitkräfte besetzt. Doch sie sind nicht die einzigen, die Waffen tragen. Kuwaitische Bürger haben sich bei den Tausenden von Gewehren bedient, die von den abziehenden Irakern hinterlassen worden waren und mißbrauchen sie für ein nicht enden wollendes Freudenfeuerwerk, das lautstark ihren Jubel begleitet. Schon heißt es, daß die unkontrolliert abgefeuerten Projektile mehr Soldaten der kuwaitischen Armee getötet haben als die Kämpfe während des Einmarsches. Auch zahlreiche Zivilisten wurden verletzt oder getötet.

Auch für die Palästinenser in Kuwait bleibt nur das Hoffen auf die Normalität. Kuwaits Außenminister Ahmad al Sabah wies am Dienstag Vorwürfe zurück, daß Palästinenser in Kuwait wegen ihrer Unterstützung Saddam Husseins Opfer von Vergeltungsakten der kuwaitischen Behörden geworden seien. PLO-Chef Arafat hatte die Zahl von 30 getöteten Palästinensern genannt. Auch das US- State Department hatte ein Warnung an die Regierung Kuwaits gerichtet. Eine Sprecherin des State Department sagte, man gehe davon aus, daß es sich um Einzelfälle handle.

Allenfalls als ein Symbol der Normalisierung kann man die Rückkehr des kuwaitischen Premierministers, des Kronprinzen Saad al Abdullah al Sabah, ansehen, der am Montag mit dem größten Teil des 22köpfigen Kabinetts an Bord eines saudischen Transportflugzeuges in Kuwait City eintraf. Er kam nicht als Premierminister, sondern als Kriegsrechtsverwalter. Für drei Monate soll der Ausnahmezustand gelten; in dieser Zeit will man die öffentliche Infrastruktur wiederaufbauen, für diesen Zeitraum wurde auch allen ins Exil gezwungenen Kuwaitis die Rückkehr in ihre Heimat untersagt.

Die spontane Freude über die Rückkehr des Premierministers mischte sich mit Erwartungen, daß die politischen Verhältnisse des Emirats demokratisiert würden. Yahia Matruk, 36 Jahre alt, Polizist, sagte einem amerikanischen Reporter: „Wir brauchen mehr Sachen jetzt von unserer Regierung, ändern viele Sachen, nicht wie früher. Wie in Amerika, Frankreich oder Großbritannien, die Demokratie, wie es sie am Golf noch nicht gab.“ Der frisch eingetroffene neue US-Botschafter in Kuwait, Edward Gnehm, formulierte es in offiziöseren Begriffen: „Die Vereinigten Staaten sind ein Land, das auf den Prinzipien der Demokratie und öffentlichen Partizipation beruht. Wir werden auf diesen Prinzipien bestehen, hier wie überall. Ob es dann Parlament oder Nationalversammlung heißt, ob der Staatschef sich Emir nennt, ist uns egal, solange die Menschen an der Regierung teilhaben.“

Dazu wäre unter anderem erforderlich, daß das Wahlrecht ausgeweitet wird und einem größeren Anteil der Bevölkerung eingeräumt wird als nur den Männern aus den Familien, die schon 1920 in Kuwait lebten, also etwa 60.000 der fast zwei Millionen Bewohner des Landes.

Zugeständnisse des Emirs, der 1986 die Verfassung von 1962 außer Kraft gesetzt hatte, erwartet auch die Führung des bewaffneten Widerstands. Abu Fahad, so der „nom de guerre“ ihres Anführers, hielt am Montag in Kuwait zusammen mit einigen seiner Mitstreiter seine erste Pressekonferenz vor der internationalen Presse. Keiner der Widerstandsführer wollte seine Identität preisgeben, ihre Köpfe hatten sie verhüllt, denn es gebe noch immer Agenten der irakischen Geheimpolizei in Kuwait City. Abu Fahad kündigte die Bereitschaft des Widerstands an, sich in den kommenden Monaten aufzulösen und seine Waffen an die Regierung abzugeben, vorausgesetzt, diese lasse eine Demokratisierung zu. „Uns ist es vom Premierminister und der Führung dieses Landes versprochen worden, wir glauben ihnen und gehen davon aus, daß es auch geschehen wird“, so Abu Fahad am Montag.

Alles kann nur besser sein als die hinter ihnen liegenden sieben Monate, versichern Kuwaitis den ersten US-amerikanischen Reportern, die am Wochenende in einem großen Konvoi und unter Protest sowohl der alliierten Presseoffiziere wie auch des Kommandanten des saudischen Grenzpostens nach Kuwait City durchschlugen. Fast jeder in Kuwait hat eine Geschichte über Plünderungen, Brutalitäten, Erniedrigungen und Entführungen zu erzählen. Die Iraker hätten alles gestohlen: von den Tischen in den Grundschulen bis zu den Giraffen im Zoo.

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