: Landowskys Ordnung
■ Darf ein Verfassungsrichter in der AL sein? KOMMENTAR
Es gab mal einen Innensenator, der offen erklärte, er könne nicht ständig mit der Verfassung unter dem Arm herumlaufen. Heinrich Lummer ist nicht mehr im Senat, dafür gibt es den CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky. Im Gegensatz zu Lummer ist Landowsky kein gläubiger Konservativer. Er muß nur seine Parteibasis beruhigen, die in der großen Koalition offensichtlich leidet. Das wird wohl das Motiv sein, warum sich Landowsky weigert, unter den neun Richtern im neuen Berliner Verfassungsgericht einen Mann oder eine Frau der AL zu ertragen. Denn: Die akzeptieren ja nicht unsere Ordnung!
Wessen Ordnung, bitte? Es ist noch keine zwölf Monate her, daß die CDU in trauter Eintracht mit der SPD und genau dieser, ach so anarchistischen AL das Gesetz erarbeitete, nach dem das höchste Berliner Gericht künftig arbeiten soll. Die AL hat manchmal gute Ideen, und oft hat sie auch schlechte. Ihr erster Plan, den altgedienten Parteipolitiker Müller-Gazurek als Kandidaten für das Verfassungsgericht aufzustellen, verdiente nicht gerade höchstes Lob. Aber die einzelnen Beschlüsse der alternativen Partei sind nur das eine — das andere ist, daß diese AL seit Jahren einen erklecklichen Teil der Berliner Bevölkerung und deren besondere Interessen im Parlament vertritt. Mal tut sie dies gut, mal weniger — aber die Entscheidung darüber fällen die Wähler, nicht CDU und SPD.
Wenn West-Berlin in den letzten Jahren vor dem Mauerfall das Etikett Großstadt verdiente, dann auch wegen seiner bunten alternativen Szene — und weniger seiner oft xenophoben Schultheiss- Berliner wegen. Herr Landowsky möge sich daran erinnern, daß CDU und SPD jahrelang dafür sorgten, daß die AL vom Verfassungsschutz bespitzelt wurde. Es wäre ein schöner Akt der Wiedergutmachung, wäre nun auch die CDU einem alternativen Verfassungshüter grün. Hans-Martin Tillack
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