: FNL: Öko-Misere behindert den Wirtschaftsaufbau
■ Wirtschaftsforscher für zusätzliches 15-Milliarden-Infrastrukturprogramm
Berlin (dpa/taz) — Die „prekäre Finanzlage“ in den neuen Ländern und ihren Kommunen erschwert die dringend nötige ökologische Sanierung in den neuen Bundesländern. Vor allem die Sanierung der Altlasten kann nach Ansicht des Deutschen Institus für Wirtschaftsforschung (DIW) „nur mittel- bis langfristig als realistisch erscheinen“.
Wie das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht weiter schreibt, reichen die Einnahmen aus Steuern, Gebühren und Mitteln aus dem Fonds Deutsche Einheit „nicht einmal zur Deckung der laufenden Ausgaben, geschweige denn für den bedarfsgerechten Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur“.
Die im Einigungsvertrag vorgesehene Mindestbeteiligung der Kommunen von 20 Prozent an den Steuereinnahmen der Länder ist nach Ansicht der WirtschaftsforscherInnen „völlig unzureichend“. Bei der Verteilung der Mittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs sollten, wie im Westen, gemeindespezifische Faktoren berücksichtigt werden. Als ein Kriterium sollte dabei auch der Sanierungsbedarf für Altlasten gelten, der viele kommunale Haushalte auf Jahre hinaus belasten werde.
Eine gute Umweltsituation, so das DIW, sei eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche Aktivitäten und das Image einer Region. Fehlende Entsorgungsmöglichkeiten oder vermutete Altlasten würden mögliche InvestorInnen abschrecken. Eine Besserung der ökologischen Misere diene hier also auch unmittelbar dem Ziel Wirtschaftswachstum. Das DIW plädiert außerdem für eine Umweltpolitik, die die Kosten des Umweltschutzes dem Verursacher anlastet und damit die ökonomischen Anreize für eine umweltverträgliche Ausrichtung des Strukturwandels verstärke.
Für Regionen, in denen der ökologische Umbau besondere Probleme mit sich bringt, sind laut DIW Maßnahmen nötig, die über diejenigen des Arbeitsförderungsgesetzes hinausgehen. Das Institut regt hier die Förderung von Beschäftigungs- und Sanierungsgesellschaften an. Am Beispiel von Halle und Leipzig erläutert das Institut in seinem Bericht, daß es gelingen könne, hier neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Diese besonders umweltbelastete Region habe gute Voraussetzungen für den Aufbau einer Dienstleistungsstruktur.
Mit einem zusätzlichen Infrastrukturprogramm von 15 Milliarden Mark im Jahr könnten in Ostdeutschland außerdem bis 1994 bis zu 200.000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden. Bei der Finanzierung eines solchen Programms zur Verbesserung der Verkehrswege, Umwelt und Telekommunikation gibt das DIW aus westdeutscher Sicht der Kreditfinanzierung den Vorzug, weil mit ihr „expansive Effekte“ verbunden wären. Im Falle einer Steuererhöhung sollten die direkten Steuern (wie die Lohnsteuer) erhöht werden, weil dann der westdeutsche Finanzierungsbeitrag in den neuen Ländern stärker wirken würde, als im Falle einer Anhebung der indirekten Steuern. Letzteres würde die ärmeren ostdeutschen Konsumenten härter treffen.
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