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Im Kino: "Rosenkranz und..."

■ Verdrehte Nebenroller

„Ist England eine Finte der Kartographen?“, fragt der Schmächtige von beiden, während der andere seinen Kopf von einer Seite auf die andere wiegt, mal aus großen Augen in die Luft starrt, um dann völlig desorientiert aus der Wäsche zu glotzen. Nein, England ist natürlich kein hinterhältiger Trick, aber das können die beiden auch nicht wissen. Schließlich grübeln Rosenkranz und Güldenstern über dieses geographische Problem zu Zeiten des Mittelalters, sie stehen kurz vor ihrem Tod und überhaupt haben sie gar keinen Durchblick, was so läuft. Menschen mit klassischer Bildung wissen nämlich längst: Rosenkranz und Güldenstern (Gary Oldman, Tim Roth) sind nur Randfiguren in einem Ränkespiel mit Namen „Hamlet“.

Tom Stoppard, englischer Theaterautor und —regisseur hat mit der Verfilmung seines eigenen Textes eine Menge Risiko in Kauf genommen. Immerhin zeichnet er in seiner Debutarbeit für das Kino ein zeitgenössisches Bild, das die Geschichte des dänischen Prinzen Hamlet hinter den Kulissen aufrollt. Die zwei Nebenrollen sehen sich selbst als Hauptrollen in einer Geschichte, von der wir wissen, daß diese viel komplexer ist.

Eines Morgens werden Rosenkranz und Güldenstern an den Hof des Königs und seines Neffen Hamlet beordert, ohne zu wissen, was sie dort sollen. Gottergeben machen sie sich sogleich auf den Weg. Stoppard bedient sich hier des außergewöhnlichen Spielvermögens von Gary Oldman und Tim Roth, die als heruntergekommene Tramps nichts ernst nehmen können, weil sie nicht einmal begreifen, wie schlimm es wirklich steht. Sie kennen ja das Hamlet'sche Schicksal nicht.

Wie Laurel und Hardy stolpern sie naiv durch eine Welt, die sie mit immer neuen Wortspielen zu beschreiben versuchen, während ihnen das Schicksal unerbittlich die Dramaturgie diktiert. Eine Wanderbühne — von Stoppard wie der gesamte Zwei-Stunden- Film liebevoll und opulent ausgestattet — trägt ihnen zwar vor (Richard Dreyfuss in einer kleinen famosen Rolle), in welche Richtung der Hase der Intrigen wirklich läuft. Anstatt zu begreifen, wer Hamlets Vater meuchelte, bauen sie lieber Papierflugzeuge, sogar mit Propellern, und glauben das, was ihnen vor Augen und Ohren kommt. Und wenn sie nur so tun, verstecken sie es in Tennismatches mit Worten - über ein richtiges Netz.

„Wir werden schon geboren mit einer Ahnung vom Tod“, sagt ein Schauspieler, am Ende hängen Rosenkranz und Güldenstern am Galgen. Mit Sicherheit hatten sie auch diese vage Ahnung, aber Tom Stoppard hat daraus einen vergnüglichen Film gemacht. J.F.Sebastian

Gondel, tägl 17.45 u. 20.30 Uhr

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