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Ab mittags wieder zur Arbeit

■ »Hera« ist eine Übernachtungseinrichtung für drogenabhängige Frauen/ Die meisten verdienen das Geld für das Heroin auf dem Strich/ Das Projekt ist gefährdet, weil Bonn nicht mehr zahlen will

Wedding. Monika S., 22 Jahre, ist drogenabhängig. Das Geld für das Heroin beschaffte sie sich auf dem Strich. Monika S. gehört zu jenen Frauen, die besonders stark HIV/ Aids-gefährdet sind. Bei »Hera« hat sie zur Zeit eine vorübergehende Bleibe gefunden. Sie ist jetzt bereits zum dritten Mal hier. Motiviert durch die Mitarbeiterin des Projekts, hat sie es diesmal geschafft, alleine zu entziehen und clean zu sein. Hera ist eine Einrichtung, die drogenabhängigen Frauen zur Übernachtung zur Verfügung steht. Es bietet HIV- Prophylaxe sowie konkrete Unterstützung bei der Bewältigung von Drogenproblemen an.

»Die Sozialarbeiterinnen akzeptieren dich so, wie du bist, und es tut gut, einmal alles rauszulassen, ohne daß dir jemand gleich Vorwürfe macht. Auch kümmert man sich hier um deine Gesundheit, du kannst die Spritzen tauschen und Gummis stehen hier überall rum«, erzählt Monika S. Als eines der letzten Modellprogramme des Bundes versucht das Projekt Hera durch frauenspezifische Angebote möglichst viele von HIV/Aids gefährdete und betroffene Frauen zu erreichen, an die sonst schwer ranzukommen ist. »HIV- Prävention ist in unserer Einrichtung besonders wichtig«, sagt Beate Möller, die Projektleiterin, »der größte Teil der Frauen, die hier sind, geht anschaffen. Sie müssen am Tag acht bis zehn Männer schaffen, um ihre Drogen finanzieren zu können. schon beim Aufnahmegespräch versuchen wir in Erfahrung zu bringen, ob die Frau die HIV-präventiven Verhaltensweisen draufhat. Wenn dies nicht der Fall ist, wird versucht, eine Auseinandersetzung in Gang zu bringen.« HIV-Prävention beinhaltet bei Hera, daß Kondome immer greifbar sind und die Frauen auch konkret darauf angesprochen werden, diese zu benutzen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die gebrauchten Spritzen gegen neue einzutauschen. Prävention heißt vor allem jedoch, die Lebenssituation der Frauen zu verbessern. Häufig werden die Frauen in der Drogenszene eher als »Anhängsel« ihrer männlichen Begleiter wahrgenommen und haben es daher in den üblicherweise gemischtgeschlechtlichen Drogenhilfseinrichtungen extrem schwer. »Die Typen funktionalisieren die Frauen für die Beschaffung ihrer eigenen Drogen, sie werden schlicht und ergreifend anschaffen geschickt«, erzählt Beate Möller. »In diesem Rahmen haben Frauen einfach nicht die Möglichkeit, zu sich zu kommen, über ihre Situation nachzudenken und Veränderungen einzuleiten.« Die Einrichtung bietet für die Frauen auch eine Alternative zu ihrem normalen Szeneleben, als auch eine Alternative, beim Freier gegen entsprechende sexuelle Leistungen übernachten zu müssen. Bei Hera können sie frei von männlicher Einmischung kurzfristig zur Ruhe kommen. Sie haben die Möglichkeit, ein Stück normales Leben zu führen, mit allem, was dazu gehört. Maximale Aufenthaltsdauer sind vier bis sechs Wochen.

Im letzten Jahr sind 128 Frauen bei Hera betreut worden, 48 Frauen hiervon waren bereits HIV-positiv. Zur Zeit reichen noch die vorhandenen Kapazitäten für die angesprochene Zielgruppe aus. Was sein wird, wenn auch Frauen aus dem Ostteil der Stadt hinzukommen, weiß man nicht. Da das Geld für zusätzliche Mitarbeiterstellen fehlt, ist die Einrichtung nur von abends 21 Uhr bis zum nächsten Morgen 12 Uhr geöffnet. Ab Mittag werden die Frauen wieder auf die Straße geschickt. Dies trifft besonders Frauen mit kleinen Kindern. Das zur Zeit aber größte Problem für das Projekt ist die festgesetzte Förderungsdauer des Bundesmodellprogramms bis zum 31. 12. 91. Ans »Zumachen« will man bei Hera noch gar nicht denken. Man hofft auf die Übernahme des Projektes durch den Senat. Geneviève Ordaz

Hera, Prinzenallee 48, Berlin 65, Tel.: 4942085.

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