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Israel streitet über Bush und Baker

Regierung Schamir lehnt „Land für Frieden“ ab/ Friedensbewegung findet wieder zu sich  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die von US-Präsident Bush gestern anvisierte Perspektive, daß Israel „Land für Frieden“ tauschen solle, stößt bei den israelischen Regierungspolitikern auf wenig Gegenliebe. Im Anschluß an die Rede Bushs vor dem Kongreß erklärte der israelische Außenminister David Levy, für Israel sei eine Lösung des Palästinenserproblems „undenkbar“, solange die arabischen Staaten nicht den Kriegszustand mit Israel beendet hätten.

Im Vorfeld des Besuchs von US- Außenminister Baker in Israel am kommenden Montag forderten die extrem rechten Minister der Regierung Schamir noch weit entschiedeneren Widerstand gegenüber der amerikanischen Initiative. Wissenschaftsminister Juwal Neeman sagte, der US-Präsident „versteht nichts vom Nahen Osten“. In das gleiche Horn blasen derzeit auch proisraelische Organisationen in den USA, die von Baker verlangen, mehr Druck auf die arabischen Staaten auszuüben.

Offiziell beharrt die Regierung Schamir unverändert auf den Plänen von 1989, die lediglich Gespräche mit „Nicht-PLO-Palästinensern“ in den besetzten Gebieten über lokale Selbstverwaltung unter israelischer Kontrolle und bilaterale Gespräche mit den arabischen Staaten vorsieht. Es sei dieser Vorschlag, der bei den bevorstehenden Gesprächen mit US- Außenminister Baker im Mittelpunkt stehen solle, erklärte Schamir. In einem Interview des 'Wall Street Journal‘ sagte der israelische Ministerpräsident, Israel wolle begrenzte Vereinbarungen mit den arabischen Staaten aushandeln, z.B. über die Verteilung von Wasser. Das könne Spannungen abbauen, gegenseitiges Vertrauen schaffen und so die Gesprächsatmosphäre verbessern.

Einem Bericht der Zeitung 'Alhamishmar‘ zufolge scheint die Regierung Schamir dem US-Außenminister nächste Woche eine regionale Konferenz der Nahoststaaten unter Schirmherrschaft der USA vorschlagen zu wollen — und zwar anstatt einer internationalen Konferenz unter Leitung der UNO mit sowjetischer Beteiligung, die Israel ablehnt. Die regionale Konferenz sollte von Israel, den arabischen Staaten sowie Palästinensern, die nicht zur PLO gehören, besucht werden. Israel auf der einen und die Araber auf der anderen Seite sollen gleichgewichtig vertreten sein. Israel betrachtet sie als direkte Gespräche.

Die oppositionelle Arbeiterpartei ist derweil zerstritten über die Frage der besetzten Gebiete. Der Parteivorsitzende Schimon Peres, der schon in den vergangenen Tagen für einen „territorialen Kompromiß“ plädiert hatte, und sein innerparteilicher Widersacher Jizchak Rabin werden Baker getrennt treffen. Rabin sagte gestern, daß Israel zuerst vorbereitende Absprachen mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten treffen muß. Dies müsse den israelischen Verhandlungen mit den arabischen Regierungen vorausgehen, so daß das Palästinenserproblem von der Tagesordnung der israelisch-arabischen Friedensverhandlungen verschwinden kann.

Nach Angaben der Jerusalemer Tageszeitung 'Al-Kuds‘ beabsichtigt Baker nicht, sich mit einer Delegation der Palästinenser zusammenzukommen. Palästinensische Vertreter in Jerusalem kündigten für den Baker-Besuch jedoch eine Pressekonferenz an.

Die israelische Friedensbewegung hingegen, die in den letzten Wochen gelähmt war und weitgehend die Demonstrationen gegen den Irakkrieg in aller Welt kritisiert hatte, kommt im Vorfeld des Besuchs von Baker am kommenden Montag offensichtlich wieder zu sich. Gestern fand in Tel Aviv die erste gemeinsame Veranstaltung der Organisation „Peace Now“ und Mitgliedern der Oppositionsparteien — darunter auch einige Knessetmitglieder der Arbeiterpartei — statt, auf der erklärt wurde, daß „jetzt, nach Beendigung des Krieges, eine historische Gelegenheit gekommen ist, um einen israelisch-palästinensisch- arabischen Frieden zu erreichen“. Nach der Aufforderung Bushs nach Kompromißbereitschaft aller Seiten geht es der Friedensbewegung im Augenblick vor allem darum, Druck auf die Regierung Schamir auszuüben, damit eine politische Lösung nicht von den Hardlinern der israelischen Rechten torpediert wird.

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