: “Wir jedenfalls sind auf Krawall gebürstet“
■ IG-Medien: Wilhelmi-Konflikt unbefriedet / Beitragsboykott bis zum Bezirkstag
“Vielleicht nehmt ihr endlich mal zur Kenntnis, daß ihr unsere Angestellten seid, verdammt noch mal.“ Theo Schlüter, Redakteur bei Radio Bremen, machte seiner Wut gegenüber seinen Gewerkschaftsfunktionären Luft. Anlaß zum wiederholten Male: Der Krach in der IG Medien über basisferne, selbstgerechte Funktionäre, insbesondere den Bezirksvorsitzenden Dieter Wilhelmi. Auf der gestrigen, dreistündigen Mitgliederversammlung des Ortsvereins der Bremer IG Medien, ging es aber nur noch vordergründig um die Auseinandersetzungen zwischen OV und Bezirksvorsitzendem. Eigentliches Thema waren verkrustete und basisferne Strukturen in der Gewerkschaft, die inzwischen viele Mitglieder abschrecken und zum Austritt bewegen.
Unerhörte GewerkschaftsbasisFoto: Tristan Vankann
Als Vertreter der „Betonköpfefraktion“ wurden Detlef Hensche (Hauptvorstand) und besonders Günter Rodewig (Landesbezirk Niedersachsen) attackiert. Rodewig hatte sich wiederholt hinter Wilhelmi gestellt, dem von seiner Basis parteischädigendes Verhalten vorgeworfen wird. Auch gestern zeigte sich Rodewig wenig geneigt, den Willen des OV in höhere Gremien zu tragen.
Dennoch wurde nach fast einem Jahr heftiger Debatten ein vorläufiger Kompromiß gefunden. Die Rücktrittsforderungen und Beschuldigungen, Wilhemi hätte Gewerkschaftsgelder veruntreut werden „nicht mehr aufrechterhalten. Als Gegenleistung soll der OV mehr Mandate in erhalten. Die Mitgliederversammlung stimmte allerdings nur unter
der Bedingung zu, daß Landesvorstand und Landesbezirksvorstand sobald wie möglich eine außerordentliche Bezirkstagung einberufen wird, auf der auch über die Trennung der Wilhelmi- Ämter beschlossen werden soll. Solange wollen auch die 300 Mitglieder, die sich bis heute dem Beitragsboykot angeschlossen haben, ihr Geld der Gewerkschaft vorenthalten.
Am Fall Wilhelmi hatte sich ein Konflikt entzündet, der schon seit Jahren in der Gewerkschaft schmort. Peter Schulz von der Fachgruppe Journalisten: „Es geht doch nicht nur um Probleme mit bestimmten Personen, sondern um die Frage, wie geht man in der Gewerkschaft mit Mitgliedern und ihrer Meinung um.“ Daß Pressemitteilungen mit der
Begründung zensiert würden, bestimmte Äußerungen seien „gewerkschaftschädigend“, sei nur eines von vielen Beispielen. Das Vertrauen in die Organisation, so schilderten viele der anwesenden Noch-Mitglieder sei total erschüttert. „Die meisten Gewerkschafter zweifeln inzwischen daran“, meinte Hermann Kuhn, „daß man in ihrer Organisation überhaupt mit Kritik umgehen kann.“ Seine Forderung: Ein Funktionär wie Wilhelmi darf auf keinen Fall wieder als Bezirksvorsitzender kandidieren. Horst Frey vom Weser Kurier fügte hinzu: „Wir jedenfalls sind auf Krawall gebürstet.“
Wilhelmi war trotz Ankündigung wieder nicht zur OV-Sitzung gekommen. Er soll sich die Rippen gebrochen haben. Birgit Ziegenhagen
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