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Greller Glittergürtel schlägt Pailettenfummel

■ Der Zehn-Tänze-Weltcup in Berlin bot mehr als Standard und Lateinamerikanisches: Kleinkindlicher Rudel-Lambada konkurrierte in der Publikumsgunst mit der bewegten »Referenz an Udo Jürgens« — und immer schön lächeln

Berlin. Von vielen unwissenden Nichttänzern wird diese Sportart gar unfachmännisch als »Gehupfdohle« geschmäht. In Wahrheit ist dieses vernichtende Urteil völlig verfehlt. Denn der Weltcup der Standardtänze in Berlin wurde zu einer Demonstration des Könnens, des Geschmacks, der guten Laune. Schon im Vorprogramm jagte ein Glanzlicht das andere, wurden sowohl tänzerische Höchstleistungen als auch Heiter- Besinnliches in buntem Outfit präsentiert.

Die reizenden Kleinen des TC Blau-Weiß Berlin boten einen wundervollen Rudel-Lambada dar, und auch wenn manch kleiner Mensch in seinem rührenden Bemühen, es den Großen gleichzutun, ins Stolpern kam, so eroberten sie doch die Herzen der Zuschauer im Sturm. Und als sie dann nach Beendigung ihres Vortrages in einer herzlich spontanen Geste lostobten und ihrer Trainerin die vorbereiteten Rosen überreichten, da wurde es ganz still, und manche Träne mußte erst weggewischt werden, bevor der Applaus ungehemmt losbrechen konnte.

Auch der TC Augsburg (6. der Bundesliga) zeigte Großartiges. In seiner getanzten »Referenz an Udo Jürgens« setzten sie die Texte dieses großartigen Sängers gekonnt um (einziger Schwachpunkt das Fehlen von »Wir sind schon auf dem Brenner«), wobei ihnen die Untermalung von »Wir müssen hier raus aus diesem ehrenwerten Haus« zu einer wunderbaren Anklage gegen die Unmenschlichkeit und Kälte unserer Zeit geriet und viele nachdenkliche Mienen hinterließ.

Dann folgte Markus Krey, ein Steptänzer der Sonderklasse. Nach einer Kostprobe seines Könnens forderte er das Publikum zum Mitmachen auf, und seinem jungenhaften Charme und seiner ansteckenden guten Laune gelang es: die Herrschaften erhoben sich von ihren Plätzen und klatschten und trampelten im Takt. Auch wenn es so manchen kleinen Ausrutscher gab, so wurde auch der herzhaft belacht, denn selbst die gänzlich Unmusikalischen machten mit, so gut sie eben konnten. Und als Herr Krey am Ende ganz spontan losrief: »Nein, was sind die Berliner für ein taktvolles Publikum!«, da gab es im ganzen Saal keinen, der da widersprochen hätte.

Dann aber nahte der Höhepunkt des Abends: Die Paare betraten das Parkett, und auch wenn einige ihren wundervollen Anblick nicht zu schätzen wußten (»Kein Wunder, daß bei dem Paar da vorne beide so häßlich sind, sind ja Geschwister!«), so war man doch von ihrer Eleganz und Ausstrahlung bewegt. Jenen Kirmespuppen gleich, vor denen man früher staunend an der Losbude stand, traten die Damen auf. Während das deutsche Paar Horst und Andrea Baer auf eine Kombination aus Schwarz-Lila mit wehendem Chiffonschal und Pailetten nur auf dem Oberteil der Tänzerin setzte, probierte es das norwegische Paar mit (natürlich) Lachsrosa und gänzlich ohne Flitter, aber das war, wie Eingeweihte sofort erkannten, natürlich zu wenig. Auch für die russische Orange-Türkis-Kombination reichte es nicht, und nur die Engländer konnten den Baers ernsthaft gefährlich werden: sie versuchten es beim Standardtanz in schlichtem Weiß, das die zartgebräunte Haut umschmeichelte und lediglich am Saum von einigen lustigen, farbenfrohen Pompons aufgelockert wurde.

Die Entscheidung aber mußte bei den lateinamerikanischen Tänzen fallen: Das Duell Glitzerschwarz mit Silbergürtel und Fransen (Baer) gegen Violett-Schwarz, gewagt am linken Oberschenkel unterbrochen, konnten die Deutschen klar für sich entscheiden. Eine wundervolle Veranstaltung fand so ein herrliches Ende: alles in allem ein Abend, von dessen Erinnerung man lange zehren kann und den man noch oft in seinem Herzen bewegen wird. Elke Wittich

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