: Irak-Türkei: Tausche Kuwait gegen Zypern
Die Türkei, Helfer bei der Durchsetzung der UNO-Resolutionen gegen den Irak, ignoriert selbst seit Jahren UNO-Resolutionen im Falle Zyperns/ In Nikosia fürchtet man die Anerkennung der türkischen Besetzung des Nordens ■ Von Klaus Hillenbrand
„Der Sicherheitsrat fordert alle Staaten auf, die Hoheit, die Souveränität und die territoriale Integrität zu achten; verlangt eine sofortige Beendigung der ausländischen militärischen Intervention; ersucht ohne Verzögerung um Abzug des ausländischen Militärs.“ Die Resolution der Vereinten Nationen erinnert verzweifelt an einen anderen UNO-Beschluß mit der Nummer 660, der den Rückzug des Iraks aus Kuwait verlangte. Doch die zitierte Resolution trägt nicht die Numer 660, sondern 353. Sie wurde nicht 1990 verabschiedet, sondern hat das Patina von mehr als 16 Jahren angesetzt. Der Abzug „ausländischen Militärs“ betrifft nicht den Irak des Diktators Saddam Hussein, sondern die Türkei unter dem damaligen sozialdemokratischen Premier Bülent Ecevit. Besetzt wurde nicht Kuwait, sondern die Nordhälfte Zyperns. Dort wartet man bis heute auf ein Ende der Besetzung. „Wir haben halt kein Öl“, heißt es heute resigniert unter den griechischen Zyprioten. UNO-Resolutionen sind nicht nur im Falle Israels zu Altpapier verkommen. Ein Unterschied ist allerdings deutlich: Israel war am jüngsten Golfkrieg nicht beteiligt, sondern Opfer. Die Türkei dagegen erlaubte von ihrem Territorium aus den Einsatz US- amerikanischer Bomber gegen den Irak und wurde dafür von Nato-Generalsekretär Wörner bis zum Bonner US-Botschafter Walters in höchsten Tönen gelobt. Die Türkei helfe bei der Durchsetzung der UNO-Resolutionen gegen den Irak, hieß es. Daß Ankara die gegen das eigene Land gerichteten Beschlüsse der Vereinten Nationen ignoriert, ist offenbar in Vergessenheit geraten. „Niemals“, so Putsch-Präsident Evren vor zwei Jahren, werde man die Truppen aus Zypern vollständig zurückziehen. „Für immer“ werde Kuwait Bestandteil des Irak bleiben, so Saddam Hussein noch vor ein paar Wochen. Rund 165.000 griechische Zyprioten sind nach oder während der Besetzung vertrieben worden.
Dabei können die Zyprioten auf eine ganze Latte vollmundiger Beschlüsse der Vereinten Nationen verweisen: Die Resolutionen des Sicherheitsrats Nummer 353, 365, 367 und 541 sowie der Vollversammlung Nummer 3112, 3212, 3395, 34/30 und 37/253 „bedauern“ die Besetzung, „drängen“ auf und „ersuchen“ um den Abzug der fremden Truppen, „drücken Hoffnung“ auf die Durchsetzung früherer Resolutionen aus und „beschließen“, die Situation ständig zu beobachten. Tatsächlich geschah das Gegenteil: Die Türkei ließ durch ihren Statthalter Rauf Denktasch auf Zypern 1983 einen angeblich „unabhängigen“ Staat gründen, der freilich am Tropf Ankaras hängt. Bis heute fand sich außer den Besatzern kein Staat der Welt bereit, die „Türkische Republik Nordzypern“ auch diplomatisch anzuerkennen. Doch das könnte sich bald ändern.
Offiziell hofft die Republik Zypern auf die „Neue Weltordnung“. Präsident Vassiliou spricht sich dafür aus, nach Beendigung des Golfkonflikts die vorhandenen UNO-Resolutionen auch für die geteilte Republik Zypern anzuwenden. „Mit Anwendung dieser Prinzpien kommt auch die Reihe an eine Lösung des Zypern-Problems. Zypern stellt dann nicht weiter ein Problem von Invasion und Besatzung dar, und unsere Insel kann friedlich und wiedervereint existieren“, so Vassiliou in einer Botschaft kurz nach Beginn des Golfkriegs. Doch zu befürchten ist, daß die Einlösung der UNO-Resolutionen im Falle Kuwaits just das genaue Gegenteil für Zypern bewirkt. Die Rechnung des türkischen Präsidenten Turgut Özal ist mit dem raschen Sieg der Allianz gegen den Irak aufgegangen. Sein Verzicht auf Beute in Form der irakischen Ölprovinz Mossul verstärkt Özals Reputation als „verläßlicher und berechenbarer Partner“ der USA. Jetzt mit alten Zypern-Resolutionen zu wedeln und damit die „einzige Demokratie der Region“ (Özal) zu verärgern, entspräche zwar den angekündigten wunderbaren Zeiten der „Neuen Weltordnung“, nicht aber Zielen der USA auf eine Stabilisierung des Nahen Ostens mit Hilfe einer starken Türkei. Diplomaten in Nikosia und Athen befürchten, die Türkei könne als „Belohnung“ für ihr Engagement an der Seite der Alliierten mit der Anerkennung ihres zypriotischen Pseudostaats abgefunden werden.
Eine direkte Anerkennung der „Türkischen Republik Nordzypern“ widerspräche allerdings der UNO- Resolution Nr. 541 vom 18.11.1983, die die Gründung dieser Gänsefüßchenrepublik als rechtsunwirksam verurteilt. Dennoch scheint der Bruch einer UNO- Resolution als Lohn für die Hilfe bei der Durchsetzung einer anderen keineswegs ausgeschlossen. Vorstellbar ist etwa die Rücknahme der Proklamation der „Türkischen Republik Nordzypern“ im Tausch gegen eine Autonomieregelung für den Norden der Insel unter Schirmherrschaft der Türkei.Der Zypern-Koordinator beim State Department, Ledsky, hat bereits angekündigt, noch in diesem Jahr könne das Zypern-Problem gelöst werden. Eher eine Drohung.
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