MIT DEN PNEUS AUF DU UND DU: Die Mütter aller Reifen
■ Manöver rund um die Conti-Hauptversammlung
Berlin (taz) — „Die Conti in ihrer jetzigen Form ist nicht überlebensfähig“, urteilt der Wirtschaftsinformationsdienst 'Platow-Brief‘. Für mindestens schwierig hält auch Conti-Konkurrent Pirelli das Geschäft mit Autoreifen und drängt daher seit Sommer auf eine Fusion seiner Reifenfirma mit der Hannoveraner Continental. Nach dem Vorschlag der Italiener soll Conti das Reifengeschäft von Pirelli kaufen und sich als Gesellschaft unter das Dach des nach Fiat und Ferruzzi umsatzmäßig drittgrößten italienischen Konzerns begeben. Die Conti-Leitung wollen die Italiener dann selbst übernehmen.
Den Pirelli-Vorstoß hat der Conti-Vorstand am 24. September vehement zurückgewiesen: „So nicht, Herr Pirelli!“ rief der Vorsitzende Horst Urban aus. Daß der fünftgrößte Reifenhersteller der Welt (Pirelli, rund sieben Prozent) und der viertgrößte (Conti, etwa acht Prozent) beim Zusammengehen jährlich rund 400 Millionen D-Mark an Kosten einsparen können, bezweifelt Urban. Der Conti- Chef befürchtet vielmehr, daß die großen deutschen Autohersteller die Addition der Lieferanteile beider Gesellschafter auf dann 60 Prozent nicht akzeptieren und sich nach weiteren Lieferanten umschauen würden.
Trotz der harschen Absage aus Hannover betont Pirelli, dessen Reifengeschäft im letzten Jahr nach Branchenschätzungen keinen Gewinn mehr abgeworfen hat, weiter an einer freundlichen Übernahme von Conti interessiert zu sein. Um dem Fusionsbegehren Nachdruck zu verleihen, hat Pirelli selbst für 130 Millionen D-Mark ein Aktienpaket von fünf Prozent gekauft. Mit befreundeten AktionärInnen, so der italienische Konzern, sei ihm die Mehrheit auf der Hauptversammlung sicher. Wer diese Freunde sind, ist in den letzten Monaten der Stoff für vielfältige Gerüchte gewesen. Bekannt sind lediglich das Geldhaus Mediobanca sowie die Unternehmer Jody Vender und Giampiero Pesenti. Ob Giovanni Agnelli, Leopoldo Pirellis alter Freund und Fiat-Chef, auch dabei ist, ist nicht belegt. Die Ankündigung Pirellis im Vorfeld der Hauptversammlung, sich zu dem Tagesordnungspunkt Fusion enthalten zu wollen, wurde von manchen Beobachtern so gewertet, daß sich die Italiener ihrer Mehrheit nicht ganz sicher sind.
Auf der Conti-Seite hat sich ebenfalls ein Block von Aktionären gebildet, die eine 25-Prozent- Sperrminorität halten. Die Hannoveraner Hausmacht besteht aus deutschen Autofirmen und Banken, was ihr den Vorwurf eintrug, nationalistisch gesinnt zu sein. Pirelli äußerte sich im November außerdem verärgert darüber, daß die Deutsche Bank zunächst die Fusionspläne unterstützt habe, jetzt aber zum Gegner Conti-Vorstand übergelaufen sei. Die Banker dementierten das heftig.
Allerdings wird in gut unterrichteten Kreisen, zu denen Zugang zu haben sich der 'Platow-Brief‘ rühmt, spekuliert, daß sich die Großbanker nach der Hauptversammlung „den Vorstand zur Brust nehmen“ werden. Conti brauche nämlich in naher Zukunft nicht bloß eine europäische, sondern eine globale Dimension. Schließlich bleibe auch Conti-Pirelli ein vergleichsweise kleiner Reifenproduzent: Branchenerster Michelin hält 24 Prozent des Weltmarkts, gefolgt von Goodyear mit 19 und Bridgestone mit 17 Prozent. Die Nummern vier und fünf kämen auch fusioniert nur auf 15 Prozent. dri
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