: »Battle of the Bands«
■ Gewinner
So sehen Gewinner aus: No Harms
Der Sozialstaat hat wieder zugeschlagen. Sonst eher mit dem Spucknapfimage behaftet, ist er, der Staat, um freundliche Zusatzattribute wie Polizei- und Scheiß- den Umständen entsprechend wegzulassen, als Sponsor gern gesehener Gastgeber. So erkennen denn auch 1080 junge Bands in ihm den Hoffnungsträger, der ihrer noch zögerlichen Karriere den nötigen Promotionkick verpassen kann.
Falsche Welt, versucht man sich vorzustellen, wie ein ähnliches Unterfangen z.B. im Musikdschungel Amerikas aufgenommen werden würde. Ein Wohltätigkeitsfest von gemeinnützigen Organisationen zugunsten junger Talente im Schattendasein: Rein mit der edlen Gönnerhand in den Ameisenhaufen ! — Die Kids zwischen Bronx und East Village hätten in jedem Fall ihren Spaß, ob als Gewinner oder weiterhin Verlierer, denn ein Wettbewerb sollte es gemäß dem Funktionsmechanismus des vorherrschenden Marktsystems schon sein. Verschenkt wird nichts !
Das gilt auch im sozialen Deutschland, hier heißen die Förderer u.a. Rockbüro, Rundfunkanstalt und Veranstaltungshaus. Selbst vom Kultur-Tropf abhängig und auf Staatsknete angewiesen, fungieren sie in dem Zusammenhang als »Die Veranstalter«. Sie absolvieren jenen Abhörmarathon, um jedem der 1080 Bewerber eine Chance zu garantieren, sie organisieren die Vorspielkonzerte und nach der Preisvergabe die gerade laufende viertägige Siegerehrungstour. Sie stellen auch eine Promo-LP zusammen und und...Aber der immense Aufwand lohnt, denn, so ihre Überzeugung »die Musikszene in der Bundesrepublik ist, entgegen vielfacher Meinungen, bemerkenswert entwickelt.« Vielleicht wissen das aber nur wenige und deshalb der Rock-Pop- Wettbewerb.
Immerhin schon im achten Jahr ist »Battle of the Bands« jetzt auch um einen Träger, das Jugendradio DT 64, und einen Veranstaltungsort in Berlin angewachsen. Diesbezüglich ist es besonders erfreulich, daß auch ein Ost-Beitrag im Tourpaket enthalten ist, und das jener Herr Blum nicht nur als Alibistatist mitfährt, belegt der Preis, den Thomas und Jürgen Wagner bekommen haben. Jürgen ist übrigens der Maler-Vater, der den Sohn als Aktionist und Performancekünstler on stage begleitet. Auch auf die Gefahr hin, als subkektiver Lokalpatriot denunziert zu werden, halte ich »Lach mal wieder« für den interessantesten Titel der Promo-LP, stellvertretend für die expressive Live-Präsentation von Herr Blum, was Innovation, Spielfreude und Eigenwilligkeit anbelangt. Aber die Kritiker haben sich längst für die Barefoot Girls als Siegerinnen entschieden, die in Wahrheit einen Schlagzeuger haben und keine All-Girls-Band sind.
Der Sound der weiteren vier Preisträger, in der Summe sind es also sechs, ist aufmüpfig bis poppig-zeitgemäß, in jedem Fall gitarrenlastig und geradeaus. Walls have Ears machen da eventuell noch eine kleine Ausnahme und riskieren einen zaghaften Blick in die Innereien einer industriellen Maschinenwelt, vor Jahren nannte sich das Industrial..., aber selbst marktschreierische Gruppennamen wie Noys Boys täuschen nicht über grassierenden Medium-Wave hinweg, der nichts vom Zaun bricht oder anzetteln will.
Bemerkenswert der Umstand, daß einzig der Ostbeitrag die Tradition des Deutsch Rock in deutscher Sprache weiterführt. Über Jahre hinweg knechtende Maßgabe, fand eine junge Musikergeneration hier (da) eine Sprache, mit der sie etwas zu sagen wußte, z.B. »Lach mal wieder«. Dabei ist Herr Blum, bekannt auch als Tom Terror, alles andere als ein Rocker, schon gar kein Deutsch-Rocker, und sein Titel ist auch keine Animation zu ausgelassener Heiterkeit. Dafür läßt sich vom jungen Blum aus ohne Mühe die Brücke zu den Profis außerhalb der Wertung, The Blech, schlagen.
Anzunehmen, daß diese Kamele die Hauptzugleistung des Abends und darüber hinaus der ganzen Unternehmung zu bewältiugen haben: für die Besucher, die Bands und die Publicity. Denn um die geht es doch wohl bei solchen Support-Wettbewerben, klarzustellen, wie »bemerkenswert entwickelt« die Szene schon mal ist ! Micha Möller
Noys Boys, Zarths, Barefoot Girls, No Harms, Walls have ears, Herr Blum und The Blech spielen ab 20 Uhr im Come In.
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