: Karusselfahrt in der Mikrowelle
■ Ulrich-Reineking-Drügemöller: Text as text can
Herzlichen Glückwunsch, Jens Eckhoff: Gestern noch Manager der American Football-Freibeuter, heute der amtierende Onkel Bräsig der Jungen Union und ab sofort auch noch Laufbursch von Bernd E. Neumann! Das ist der gradlinige Weg zum Bremer Oppositionsführer des Jahres 2OOO und zum Parlamentarischen Staatssekretär so etwa um 2O12. Die sozialdemokratischen Einflußagenten in der hiesigen Christenunion haben damit wieder einen geschickten Schachzug zur langfristigen Verteidigung und Absicherung hiesiger Mehrheitsverhältnisse ausgeheckt.
Ein ebenso hartes wie berechtigtes Urteil formulierte Leckerschmecker Heinz Holtgrefe in der derzeit größeren Bremer Tageszeitung über die Frikadellen im Schnellimbiß des Hauses Karstadt: „Widerlich“ nannte er die Fleischpflanzerl aus der Küche von Hans Hinrich Blumenberg und traf damit den Senf auf der Pappe. Wehmütig erinnert man sich angesichts solcher Snack-Zumutungen an die Buletten, die einst “bei Anni“ am Dobben feilgehalten wurden. Annis Eß & Trink-Salon wurde vor einigen Monaten durch das Bistro Chalet am Dobben verdrängt, das dann prompt in Flammen aufging. So hartnäckig treu können Stammgäste sein...
Die Straßenbahn ist immer wieder Bühne verblüffender Begegnungen. TRUE STORY: In der Linie 1O drückt eine Frau mit kastanienbraunem Bubikopf ihr vielleicht Zweijähriges im Buggy durch den Gang. Im Gedränge stößt das Kind mit den erdfeuchten Chico-Schuhen an den weißen Wollmantel der Mutter. Klatsch-klatsch, einmal links und einmal rechts. Vorsichtiger Versuch meinerseits, dieses Tun zu problematisieren. Antwort: „Ich erziehe mein Kind wie ich will.“ Der Zufall führt zu einer erneuten Begegnung kurz nach dem Ausstieg. Ein vermutlich unfreundlicher Blick von mir — und die Frau schlägt erneut ins Gesicht des Kindes: „Damit Sie sehen, daß ich machen kann, was ich will.“ Spontane aber gezielte Speichelentleerung in das sorgfältig geschminkte Gesicht unter dem Bubikopf. Irgendwie kommt der Verdacht auf, daß das Kind den Vorfall mit einer Karussellfahrt in der Mikrowelle büßen muß.
40 Prozent der Airbus Bremen-Belegschaft forderten den Rücktritt des Betriebsrats, weil dieser sein Veto gegen Überstunden wegen kriegskonjunkturell bedingter Erhöhung der Tornado-Produktion eingelegt hatte. In manchen Abteilungen soll die Unterschriftenliste von sämtlichen Beschäftigten unterzeichnet worden sein. Man sollte sich daran erinnern, wenn nach irgendeinem Attentat auf beispielsweise diese Abteilungen der Airbus GmbH von unschuldigen Opfern die Rede sein wird.
Der alte Haudegen Rudel lebt nicht mehr, Hänschen Altermann ist längst ein ebenso müder wie verwirrter Papierkrieger,aber Generalissimo Dieter Wellershoff ist wieder ganz zackzack und knackig. Vor seinen Kumpanen aus dem Generalsstab klagte er über das Ausleben der Angst statt ihrer Überwindung und erinnerte daran, daß zum Soldatsein Sterben und Sterbenlassen dazugehört wie der Kranz zur Schleife.
Der Bremer Roland aber steht wieder da als sauberer Kerl auf dem Marktplatz; Dr. Dieter Klink putzt das Ratssilber und Henning Scherf besorgt sich ein neues Fahrradschloß. Es ist Frühling, es ist Frieden. Und die Kurden müssen weg. Alte Damen füttern die Tauben mit Brot aus Bioschrot und doch bleiben vage Zweifel, ob dies die beste aller möglichen Welten ist...Ob es in diesem Jahr erstmals “Maibock Light“ geben wird?
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