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Stopp-Signale

■ Betr.: Gastkommentar von Reinhard Mohr, taz vom 2.3.91

Betr.: Gastkommentar von Reinhard Mohr, taz vom 2.3.1991

Kommentare in Zeitungen sind vielleicht — trotz des meist darin enthaltenen Anspruchs — nicht gerade die sinntragenden Elemente für die Linie einer Redaktion, für die Entwicklung eines Blattes. Trotzdem enthalten sie gelegentlich Symptomatisches, bringen sie Meinungen, an denen sich länger gehegtes Leserunbehagen beispielhaft festmachen läßt. [...]

Grundsätzlich gibt es in der Kommunikation — und so auch beim Machen von Zeitungen — zwei gegensätzliche Tendenzen: die eine, welche Diskussion eher schließt, nicht aufkommen läßt, unterdrückt oder nicht vorsieht, und die andere, die Fragen stellt, Denkprozesse anregt, Bewußtseinswege erschließt, Gedankenweiten in emanzipatorischer Weise öffnen hilft.

Mich hat in der Kriegsberichterstattung und -kommentierung dieser taz sehr beunruhigt, daß so wenig Fragen gestellt worden sind, nicht abgeschlossene Diskussionen, teilweise auch gar nicht abschließbare Konflikträume mittels gezielter Kommentare als beendet oder beendbar hingestellt wurden. Ich will damit nicht sagen, daß dies durchgängig geschehen ist: Gerade die eher beschreibenden Texte und Korrespondentenberichte haben hier noch Luft zum Atmen gelassen, weil sie sich — vermutlich aus handwerklicher Überzeugung heraus — auf ihre beschreibende Aufgabe konzentriert und beschränkt haben.

Trotzdem geht aus meiner Sicht die Neigung zu abschließenden Meinungsdarstellungen in der taz ganz erheblich an die Substanz, an die alternativen Möglichkeiten dieser Zeitung. Diese übers Knie gebrochenen Abschlüsse, Abbrüche, Beendigungen haben Konsequenzen. Ein Strang solcher unangenehmer Folgen entsteht, weil diese Abbrüche in der Regel nur durch Bemühen von Vorurteilen und Klischees herzustellen sind. Beispielzitat R. Mohr: „Die Flucht vor Differenzen ins gute Gewissen der reinen Moral ist zutiefst unpolitisch und deutsch.“

Dieser Satz enthält eine derart geballte Ladung solcher genannter Stopp-Signale, daß es schwerfällt, sich mit der umgebenden Zeitung weiterhin sachlich auseinanderzusetzen, daß anderes, so zum Beispiel der benachbarte Beitrag von Manfred Kriener, unverdientermaßen in Mißkredit geraten muß. Die dargebotene Meinung ignoriert in gröbster Weise die hier in Kürze nicht wiedergebbare Tradition des Diskurses zu „Politik und Moral“, wärmt die aus den siebziger Jahren leidvoll bekannten Klischees der Kontroverse, der Scheinkontroverse zwischen „politisch“ und „unpolitisch“ ohne jeden ersichtlichen Erkenntniszuwachs wieder auf und belegt dieses vage bis undifferenziert angedeutete Verhalten obendrein noch mit der fragwürdigen Etikette „typisch deutsch“. Daneben bleibt noch offen, ob moralisch begründetete Positionen sinnhaft mit „Flucht vor Differenzen“ in Verbindung gebracht werden können — da es aber getan wird, entsteht ein weiterer grober Klotz, eine weitere Diskurs-Sperre. Ich meine, es ist an der Zeit, daß die taz-Redaktion hier eine deutliche Trendumkehr herbeiführen muß. Es geht nicht an — und überfordert diese Möglichkeit gänzlich — Diskurs und kommunikative Weiterentwicklung gesellschaftlicher Fragen allein der (wenig umfangreichen) Leserbrief-Redaktion zu überlassen. Rudolf Welteke-Bethge, Hiddenhausen

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