: Treuhand soll auf Arbeitsplätze achten
■ Kanzlerrunde einigt sich auf Zusammenarbeit mit den Landesregierungen/ Vorwarnzeit bei Betriebs- schließungen vereinbart/ Ministerpräsidenten zufrieden/ Steinkühler: Treuhand ist „Schlachthof“
Bonn (afp) — Die Treuhandanstalt soll sich künftig mehr für die Erhaltung von Arbeitsplätzen einsetzen. Darauf einigte sich am Donnerstag im Kanzleramt eine Runde aus Bundesregierung, Treuhandführung und den Ministerpräsidenten der fünf neuen Länder. „Zunächst teurere, aber den Arbeitsmarkt schonende Lösungen können langfristig wirtschaftlicher sein“, hieß es nach dem Spitzengespräch unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) in einem Grundsatzpapier.
Wird ein Unternehmen geschlossen, soll mit der zuständigen Landesregierung künftig „rechtzeitig“ ein Abstimmungsgespräch geführt werden. Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Gerd Gies, sprach von einer Frist von sechs bis neun Monaten vor der Schließung. Beim Verlust von besonders vielen Arbeitsplätzen leitet die Landesregierung ein Sonderverfahren zur Ansiedlungsförderung ein.
Die Privatisierung bleibe das „ordnungspolitische Ziel“ der Treuhandanstalt, heißt es in dem Papier. Vor allem in den Bereichen Vertrieb und Finanzen sollen dazu verstärkt erfahrene Manager aus dem Westen eingesetzt werden. In Einzelfällen können auch Betriebsführungsverträge mit Westunternehmen geschlossen werden. Für den Handel mit den Ländern des früheren Ostblocks, der weitgehend zusammengebrochen ist, soll es Sonderregelungen durch den Bund geben.
Gies und die anderen Ministerpräsidenten zeigten sich mit den Ergebnissen zufrieden. Brandenburgs SPD-Regierungschef Manfred Stolpe sprach von einem „Durchbruch“. Der IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler warf der Treuhandanstalt dagegen vor, sich als „Verkaufsagentur und Schlachthof“ zu verstehen. Die Treuhand müsse eigentlich eine Hilfsagentur bei der Sanierung der Betriebe sein, sagte Steinkühler in Aachen.
Nach den jüngsten Zahlen des Finanzministeriums hat die Treuhand bislang einen Privatisierungserlös von 3,8 Milliarden Mark erzielt. Der Chef des Treuhand-Verwaltungsrats, Jens Odewald, sagte gegenüber der 'Wirtschaftswoche‘, der Wert der Treuhand-Grundstücke beliefe sich auf 250 Milliarden DM.
Interflug kurz vor dem Aus
Derweil werden die letzten noch verbliebenen Flugzeuge der einstigen Staatsfluglinie Interflug voraussichtlich nur noch bis Ende April in die Luft gehen. Dies gab der Liquidator der Fluggesellschaft, Jobst Wellensiek, am Donnerstag im Mannheimer „Radio Regenbogen“ bekannt. Der Anwalt begründete die Einstellung der Flüge mit täglichen Verlusten von bis zu einer Million Mark. Die Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für die Belegschaft sollen am 2. April beginnen.
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