Kleiner Leitfaden durch die irakischen Oppositionsgruppen

■ Die einen sitzen in Teheran und Damaskus, die anderen in London und Riad/ Das Spektrum reicht von Kurden und Kommunisten bis hin zu Fundamentalisten

Die irakische Opposition läßt sich in zwei große Achsen unterteilen. Da ist einmal das „Komitee der gemeinsamen Aktion“, das wegen der 17 Organisationen, die im Dezember 1990 eine gemeinsame Grundsatzerklärung veröffentlichten, auch die 17er-Gruppe genannt wird. Diese Gruppierungen haben ihren Sitz entweder in Teheran oder Damaskus. Die zweite Achse bildet die sogenannte Londonder Gruppe, die von Großbritannien und Saudi-Arabien unterstützt wird.

Zur 17er-Gruppe gehören drei große Strömungen: die islamische, die kurdische und die säkulare.

Die islamischen Kräfte

1) Der Oberste Rat der islamischen Revolution (SAIRI) im Irak: Sprecher ist Mohammed Bakr al Hakim. Der Rat wurde Anfang der 80er Jahre auf Betreiben Teherans gegründet. Formal ist er eine Dachorganisation der schiitischen Gruppierungen. Aber in Wirklichkeit agiert er als verlängerter Arm der Hakims, einer alten aristokratischen Familie von Geistlichen aus der heiligen irakischen Stadt Najaf, und relativ losgelöst von den anderen ihm angeschlossenen Organisationen.

2) Die Dawa-Partei: Sie wurde 1958 gegründet und ist mit Abstand die größte und am wenigsten fanatische aller islamischen Parteien.

3) Die Organisation der Islamischen Aktion: Sie ist die zweitwichtigste islamische Partei und wurde 1965 in der irakischen heiligen Stadt Kerbala gegründet. Ihr gehören vor allem im Irak lebende Iraner an.

4) Die Bewegung der irakischen Mudschaheddin: Sie wurde Anfang der 80er Jahre als bewaffneter Arm der Dawa gegründet, machte sich jedoch später selbständig.

5) Die Bewegung der Soldaten Gottes.

6) Die Gruppe der rechtsgelehrten Mojahedin.

7) Die Islamische Bewegung Iraks.

8) Die Islamische Bewegung in Irakisch-Kurdistan: Sie ist die einzige sunnitische Organisation, die dem Obersten Rat angehört.

Nicht zum Obersten Rat gehört:

9) Die Islamische Sammlung Iraks, die vor einem Jahr gegründet wurde. Ihr gehören viele junge Akademiker an, die andere schiitische Bewegungen wegen des ihrer Meinung nach starken iranischen Einflusses verlassen haben. Sie sind relativ offen für die Zusammenarbeit mit säkularen Gruppen.

Daneben gibt es einige sunnitische Oppositionsgruppen, die nicht dem Obersten Rat angehören, wie die Moslembrüder und die Islamische Union Turkmenistans.

Die kurdische Nationalbewegung

Die kurdischen Organisationen sind in ihrer Mehrheit in der „Kurdischen Front“ zusammengeschlossen.

1) Die Demokratische Partei Kurdistans, die 1946 von Mustafa Barzani gegründet wurde und heute von seinem Sohn Massud geführt wird. Sie gilt als die Mutterpartei der kurdischen Bewegung, von der sich später die anderen Parteien abspalteten.

2) Die Patriotische Union Kurdistans unter Führung von Jalal Talabani hat sich 1976 von der Demokratischen Partei abgespalten.

3) Die Kurdische Volkspartei wurde 1981 von Ex-Minister Sami Rahman gegründet.

4) Die Sozialistische Partei Kurdistans wurde 1979 von Rasul Mamant gegründet.

Daneben gibt es noch mehrere kleinere Parteien wie die Partei der Werktätigen Kurdistans, das Banner der Revolution und die Demokratische Union Kurdistans.

Die Unterschiede zwischen den kurdischen Parteien sind weniger ideologischer, sondern eher regionaler Natur. Zum Teil gehen sie auf persönliche Differenzen zurück.

Der Kurdischen Front gehört auch die Demokratische Assyrische Bewegung an. Die ca. eine Million christlicher Assyrer leben in Kurdistan und sind wie die Kurden von Zwangsumsiedlungen und Zwangsarabisierung betroffen.

Säkulare Organisationen

1) Die Kommunistische Partei Iraks wurde 1946 gegründet. Generalsekretär ist Aziz Mohammed. Sie war lange die neben den Kurden stärkste Oppositionspartei.

2) Die Demokratische Sammlungsbewegung des Irak.

3) Die Sozialistische Baath-Partei (der von Syrien geführte Flügel).

4) Die Sozialistische Partei Iraks.

5) Die Unabhängigen Nationalisten unter dem Ex- General Hassan Al-Naguib.

Die London-Riad-Achse

Zu der sog. London-Riad-Achse gehören zwei Organisationen, die beide erst während des Golfkrieges gegründet wurden.

1) Der Freie Rat des Irak wurde am 10.2. 1991 vom Sohn des letzten Ministerpräsidenten unter König Feisal, Saleh Saed Jaber, in London gegründet. Der Rat ist eine traditionelle Rechtspartei. Ihr gehören vor allem Stammesführer und Geschäftsleute an.

2) Die Nationale Übereinkunft, die während der Golfkrise in Saudi-Arabien ins Leben gerufen wurde. Ihr gehören frühere Baath-Funktionäre und Militärs, aber auch Geheimdienstoffiziere an. Die meisten haben die Baath-Partei nicht aus ideologischen, sondern aus persönlichen Gründen verlassen. Viele haben bis heute noch Kontakte in das irakische Regime hinein. Andere Oppositionelle beschuldigen sie, sich erst in dem Moment von Saddam Hussein gelöst zu haben, als sie dessen Ende kommen sahen. Sprecher der Organisation ist Salah Amr Ali, ein enger Verwandter Saddam Husseins. Leila Burhani, Beirut