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Bundesliga, wir kommen!

■ Zerstörungen von Hooligans in Ost und West stellen die alte Frage neu: Verstehen die nur den Knüppel?

Berlin (taz) — Der „Fernwettkampf“ der Hooligans erreichte erschütternd-neue Qualitäten: In Dresden flogen Pflastersteine, in Cottbus wurde der Rasen gestürmt, in Hamburg eine Gaststätte verwüstet. Auf ihrem Weg zur Nummer eins der deutschen Fußball-Randalierer kamen auch die Hooligans des FC Berlin einen krachenden Schritt voran.

In Rostock wurden Schaufenster entglast, Geschäfte geplündert, Passanten verschreckt. Rund 800 FCB-Hools stürmten ohne Karten ins Stadion, vertrieben Zuschauer von ihren Plätzen und jagten Hansa-Fans durch die Arena. Nach dem Spiel kam es zu Steinschlachten mit Bundesgrenzschützern und Landespolizisten. Erst nach drei Stunden Aufenthalt und der Durchsuchung des Zuges verließen die Fans die lädierte Stadt.

Dabei wurde gerade vor dieser Fahrt alles versucht, daß Polizei, Fußballverein und Hooligans friedlich zusammenarbeiten. Der FC Berlin hatte den Sonderzug mit 18.100 Mark vorfinanziert. Mit Sicherheitsbeamten in Berlin und Rostock wurde seit Wochen gesprochen. Die Ostseestadt erlebte das größte Polizeiaufgebot ihrer Geschichte. Aber 800 Polizisten bekamen genauso viele gewaltbereite Fans nie in den Griff. Verletzte und Zerstörungen lassen die Diskussion neu entflammen, welche Sprache denn die einzig verständliche für die Hooligans ist. Auf Rostocks Pressetribüne forderte ein Journalist „Gruppenhaft in Bautzen“ und meinte das Politgefängnis der Ex- DDR. Eine genauso sinnlose Methode wie die zunehmende Gewaltbereitschaft der Polizisten.

Fakt ist, daß gerade die Berliner Hool-Szene nach den blutigen Auseinandersetzungen in Leipzig vor fünf Monaten einen erstaunlichen Zulauf registriert. Fakt ist auch, daß Polizei und Bahn in Rostock eklatante Fehler unterliefen: Die Fans kamen bereits drei Stunden vor Spielbeginn in Rostock an. Die Stadiontore waren viel zu lange verschlossen. Die Eintrittskarten kosteten in Rostock weniger als in Berlin. Als die Hools auf den Bahnhof getrieben wurden, stand der Zug noch nicht bereit. Die blutrünstige Berichterstatung einiger Medien heizte die Stimmung zusätzlich an. Und wenn die Agentur 'dpa‘ meldet, in Rostock wäre es zu zehnstündigen Straßenschlachten gekommen, ist daß schon wieder eine hysterieerzeugende Übertrebung. So lange waren die Hooligans überhaupt nicht in der Stadt.

Damit soll nicht das chaotische Verhalten vieler Berliner Fans entschuldigt werden. Das Scheitern der Bemühungen des FC Berlin und der fehlende Einfluß anwesender Journalisten auf den Mob machen betroffen. Ein Grund für pauschale Verurteilungen jedoch sind sie nicht. zugbegleiter bossi

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