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Auch Alexandra hat seinen Frieden verloren

Vor den Krawallen im Johannesburger Vorort Alexandra hatten hier Zulus und Xhosas friedlich zusammengelebt  ■ Aus Alexandra Hans Brandt

Die Panzerwagen der Polizei brummen durch die holprigen Straßen von Alexandra. Doch die Menschen vor den verfallenen Häusern sehen ihnen kaum noch nach. Schwarze Soldaten in voller Ausrüstung — braune Uniform, Stahlhelme, Funkgeräte, Kampfgewehre — patroullieren zu Fuß. Immer geht einer der letzten beiden Männer der Patroullie rückwärts, um einen plötzlichen Angriff von hinten zu verhindern. Schaltzentrale der Sicherheitskräfte ist ein Platz neben dem Wohnheim für Wanderarbeiter. Dort stehen die Mannschaftswagen neben großen Bogenlampen für die Nachtbeleuchtung. Nach den schweren Kämpfen zwischen Zulus und Xhosas vor acht Tagen — bei denen mehr als 40 Menschen umkamen und Hunderte verletzt wurden — haben Polizei und Militär und eine nächtliche Ausgangssperre in dem südafrikanischen Schwarzengetto an Johannesburgs Nordgrenze wieder Ruhe erzwungen.

Alexandra ist eine Hochburg des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) mit einer besonders starken Bürgerinitiative, die den Kollaborateuren der schwarzen Stadtverwaltung seit den Aufständen der achtziger Jahre das Leben schwer macht. Sonderstatus hat Alexandra auch, weil es so nah am weißen Johannesburg liegt. Viel näher als Soweto, das ein Dutzend Kilometer entfernt liegt, ist es, umgeben von Fabrikgebäuden, nur wenige hundert Meter von den nächsten Wohngebieten für Weiße entfernt. Seit Jahrzehnten haben die Bewohner von Alexandra sich erfolgreich gegen die Versuche der Regierung gewehrt, den Ort aufzulösen.

Als letztes Jahr rings um Johannesburg blutige Kämpfe zwischen Zulus, Anhängern der Zulu-Partei Inkatha, und ANC-Unterstützern ausbrachen, blieb Alexandra verschont. „Das kann bei uns nicht passieren“, prahlten damals ANC-Aktivisten aus Alexandra. „Bei uns unterstützen auch die Wanderarbeiter in den Wohnheimen die Bürgerinitiative.“ Das mag stimmen. Aber am vergangenen Wochenende ist es dann doch zu Kämpfen gekommen. Warum? „Einige von uns Zulus sind zwar Anhänger der Bürgerinitiative Alexandra Civic Organisation (ACO) und sogar ANC-Mitglieder“, sagte mir diese Woche ein Zulu- Wanderarbeiter in Alexandra. „Aber wir sind alle Zulus, und wenn ein Zulu ermordet wird, dann müssen wir seinen Tod rächen.“

Über den Auslöser der Auseinandersetzungen sind sich ANC und Inkatha einig: Ein Zulu und ein Xhosa hatten sich um eine Frau gestritten, und dabei wurde der Zulu getötet. Daraufhin riefen seine Freunde die Wanderarbeiter zu Hilfe, und innerhalb weniger Stunden war auch in Alexandra die anderswo bekannte Front zwischen Zulu-Inkatha und ANC-Xhosa entstanden. „Für die Zulus ist Inkatha eine Art Stammesinstanz, keine politische Partei“, meint Popo Molefe vom ANC in Alexandra. „Aber wir glauben, daß hier Konflikte manipuliert werden.“

Im ANC-Büro lagern über hundert Leute, Flüchtlinge aus den Slumgebieten neben den Wohnheimen. Dort treffe ich Keith Madonsela von der ANC-Jugendliga. Die Stadtverwaltung von Alexandra soll zurücktreten, fordert der ANC. Seit langem sind die Verwaltungsbüros von Frauen besetzt. Selbst im Büro des Bürgermeisters Prince Moköna hängen Plakate, die seinen Rücktritt fordern. Doch der kommt nicht mehr nach Alexandra. Er hat sich irgendwo in Johannesburg versteckt. „Die Stadtverwalter glauben, daß sie Schutz nötig haben“, meint Madonsela. Und Inkatha-Chef Mangosuthu Buthelezi hat ihnen Ende Februar bei einer Versammlung in Soweto diesen Schutz angeboten. Seitdem ist auch Bürgermeister Moköna Inkatha-Mitglied.

Die Rücktrittsforderung hat sich allerdings Anfang März erübrigt, als ACO einen für Südafrika einmaligen Druchbruch erzielte. Ein gemeinsames Abkommen zwischen ACO, den Stadtverwaltungen von Alexandra und dem benachbarten weißen Ort Sandton sowie der Provinzverwaltung wird zu einer gemeinsamen Vewaltung von Sandton und Alexandra führen. Damit wird erstmals die Rassentrennung in der Kommunalverwaltung überwunden — und damit verschwindet die Verwaltung von Alexandra. Diesen Jobverlust, spekuliert Madonsela, wollte Moköna nicht hinnehmen. „Die Gewalt verzögert die politischen Entwicklungen“, meint er. „Moköna versucht, duch Anheizen der Gewalt die Abschaffung seiner Verwaltung zu verzögern.“ Dagegen behauptet der Inkatha-Sprecher in Alexandra, Sam Nxumalo, es sei der ANC, der die gewaltsamen Auseinandersetzungen angezettelt habe. „Ein führendes Inkatha-Mitglied ist von ANC-Mitgliedern verbrannt worden“, sagt er. Daraufhin hätten Inkatha-Mitglieder sich zu einer Lagebesprechung im Wohnheim getroffen. Dort seien sie von Anwohnern angegriffen worden.

Wie dem auch sei, die Kämpfe haben das seit Jahren bestehende friedliche Nebeneinander von Zulus und anderen, von Inkatha- und ANC- Mitgliedern in den Wohnheimen zerstört. Das Heim ist mit Stacheldraht von Alexandra abgezäunt worden. Am einzigen Eingang steht ein halbes Dutzend Panzerwagen, um die sich etwa hundert Männer drängen. In kleinen Gruppen werden sie, meist Xhosas, von schwer bewaffneten Polizisten in das Heim eskortiert, um ihre Sachen herauszuholen.

Ein Dutzend Zulus am Heimeingang schaut zu. Die Atmosphäre ist überraschend locker, auch wenn ich als weißer Journalist einiges Mißtrauen überwinden muß, bis die Zulus mit mir sprechen. „Laß dir's gut gehen“, ruft Ernest Ngiti einem Bekannten zu, der auszieht. Ngiti lebt seit sechs Jahren hier und ist schon lange Inkatha-Mitglied. Er hat sich bis vor den Kämpfen ein Zimmer mit drei ANC-Mitgliedern geteilt. Jetzt sind seine Mitbewohner geflüchtet, ihre Betten unordentlich, aber ihre Metallschränke noch nicht aufgebrochen. Ngiti weiß nicht, warum jetzt gekämpft wird. Aber für ihn ist klar, daß er seine Zulu-Stammesgenossen verteidigen muß. Und er glaubt nicht, daß der Frieden von früher wieder herzustellen ist. „Ich sage dir, in diesem Land wird es nie wieder Frieden geben“, sagt er, und lächelt ein wenig verzweifelt. „Nie wieder.“

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