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Irakische Botschaft kurzzeitig besetzt

■ Zum Gedenken an den dritten Jahrestag des Giftgasüberfalls auf Halabja/ Bereits gestellter Strafantrag wurde zurückgezogen/ Husseins Bild ging in Flammen auf

Bonn (taz) —Nach fünfstündiger Dauer endete am Samstag die gewaltlose Besetzung der irakischen Botschaft in Bonn. 14 Mitglieder der Irakischen Kurdistanfront, der Dachorganisation von acht weiteren kurdischen Befreiungsbewegungen, hatten morgens das Gebäude besetzt. Währenddessen erinnerten in Bonn rund 1.000 DemonstrantInnen an das Massaker von Halabja. Am 16. März 1988 hatte die irakische Luftwaffe die kurdische Stadt Halabja in Nordosten Iraks mit Giftgas bombardiert. 5.000 Menschen starben, weitere 7.000 wurden verletzt.

Der jordanische Hausmeister, der sich mit seinem dreijährigen Kind allein in der Botschaft aufhielt, leistete den Besetzern keinen Wiederstand. Aus dem Gebäude heraus nahmen die Kurden Kontakt mit den Medien auf. Sie forderten, daß der Irak keine weiteren Massaker an ihrem Volk begehe und 5.000 in der Stadt Kirkuk als Geiseln gefangene Kurden freilasse. Der Polizei, die das Gelände abriegelte, übergaben sie in der Botschaft vorgefundene Waffen: „Wir wollen keine Gewalt.“ Zuvor hatten die Sicherheitskräfte sechs DemonstrantInnen kurzzeitig festgenommen. Die irakische Flagge und ein Bild Saddam Husseins in der Botschaft gingen in Flammen auf.

Nachmittags um drei räumten die Kurden die Botschaft. Die diplomatische Mission hatte einen bereits gestellten Strafantrag zurückgezogen. Nazar Khailany, Vertreter der Irakischen Kurdistanfront, glaubt nicht an eine strafrechtliche Verfolgung. Dazu müßte die Bundesregierung die Besetzer gemeinsam mit der irakischen Führung wegen „Beleidigung und Zerstörung von Ehrenabzeichen“ anklagen.

„Der 16. März ist eine Schande für die ganze Menschheit“, verkündeten DemonstrantInnen zuvor auf der Demo. Immer wieder verurteilten Redner die Bundesregierung, die an der grausamen Verfolgung des kurdischen Volkes mitschuldig sei. Rohjat vom Halabja-Komitee zeigte sich angesichts des Wiedererstarkens aller kurdischen Bewegungen begeistert: „Diese Stärke löst eine riesige Freude in uns aus.“ Lioba Werrelmann

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