: Wie geschützt waren die Israelis wirklich?
Jede dritte Gasmaske war defekt oder veraltet/ Zivilschutz-Skandal erschüttert Israels Unverwundbarkeitsmythos ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Hatte schon der Einschlag der irakischen Scud-Raketen den Mythos der israelischen Unverwundbarkeit schwer angekratzt, droht er nun im Skandal um den unzureichenden Schutz der Zivilbevölkerung völligen Schiffbruch zu erleiden. 1,4 Millionen der insgesamt 4,5 Millionen an die israelische Bevölkerung verteilten Gasmasken boten für den Fall eines chemischen Angriffs keinen ausreichenden Schutz, erklärte die israelische Staatskontrolleurin Myriam Ben Potrat in einem Schreiben an Verteidigungsminister Mosche Arens und löste damit eine heftige öffentliche Diskussion aus. Wäre es im Verlauf des Golfkriegs zu einem irakischen Chemiewaffenangriff gekommen, so die Meinung zahlreicher Experten, hätte es in Israel Tausende, wenn nicht Zehntausende von Opfern gegeben.
Die Frage der defekten oder unzureichenden Gasmasken stand gestern auch auf der Tagesordnung der Kontrollkommission des israelischen Parlaments. Es müsse geklärt werden, so der Knesset-Abgeordnete Dedi Zucker, ob die Armee die Bevölkerung bewußt betrogen hat. Stabschef Dan Schomron wies indes alle Anschuldigungen zurück: Die an die Bevölkerung verteilten Gasmasken seien „im Rahmen der allgemeinen Vorkehrungen“ — das heißt als Schutz in gegen Gas abgesicherten Räumen — wirksam. Die israelische Regierung wurde aufgefordert, der Knesset alle Unterlagen in dieser Angelegenheit zur Verfügung zu stellen. Unter den zu prüfenden „Objekten“ sind auch 170.000 Gasmasken, die das israelische Verteidigungsministerium zwischen 1972 und 1986 als „veraltet“ ausmusterte und für 60 bis 70 US-Cent pro Stück an einen deutschen Händler verhökerte, vor dem Golfkrieg jedoch für 17,60 US- Dollar zurückkaufte und an die Bevölkerung verteilte, wie die 'Jerusalem Post‘ gestern berichtete.
Nach einer gestrigen Meldung der Zeitung 'Hadashot‘ hat Verteidigungsminister Arens angeblich in der Regierungssitzung zugegeben, daß ein Teil der an die Zivilbevölkerung verteilten Gasmasken nicht dem erforderlichen Sicherheitsstandard entspricht. Die Meldung von dem teuren Rückkauf der ausgemusterten Gasmasken dementierten Arens und Stabschef Schomron jedoch.
Wie die israelische Tageszeitung 'Haaretz‘ berichtete, soll die Staatskontrolleurin Myriam Ben Potrat noch während des Golfkriegs die 1,4Millionen defekten oder veralteten Gasmasken beanstandet haben. Verteidigungsminister Mosche Arens habe darauf geantwortet, so die Informationen von 'Haaretz‘, daß dies „lediglich“ 860.000 Gasmasken und nicht 1,4Millionen betreffe...
Nach Ende des Krieges tritt nun die Frage in den Vordergrund, wie geschützt die israelische Bevölkerung hinter der Propaganda der Regierung und des Militärs tatsächlich war. Der gegenwärtige „Gasmasken-Skandal“ dürfte dabei erst die Spitze des Eisbergs sein.
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