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Eigentumsregelung statt Baukonjunktur

Wohnungsbaugesellschaften: „Wir können nichts machen“/ Das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“  ■ Von Peter Stegemann

Berlin. „Die in Bonn haben doch nur die Großinvestoren im Auge, wenn sie an Rückgabe vor Entschädigung denken, hier an den Graswurzeln in den neuen Bundesländern ist das Kleingewerbe getäuscht worden“, schimpft Klaus-Jürgen Fritsche.

Der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg ist enttäuscht vom jüngsten Koalitionsbeschluß, der Rückgabe von enteignetem Eigentum weiterhin Vorrang vor Entschädigung einräumt. „Die Baukonjunktur bricht demnächst hier weg, weil wir nichts machen können“, sagt er.

Fritsche zeichnet verantwortlich für 75.000 Miet- und Gewerbewohnungen im Bezirk Prenzlauer Berg. Immer wieder muß er frischgebackene Kleinunternehmer und tatendurstige Mittelständler enttäuschen, die Gewerberäume suchen. Platz gibt es genug, aber die Wohnungsbaugesellschaft darf keine langfristigen Mietverträge abschließen. Es könnte ein Eigentümer Rechtsansprüche geltend machen.

Im benachbarten Bezirk Friedrichshain sind die Probleme ähnlich drängend. Peter Norden kam Anfang des Jahres aus Hamburg, um den technischen Geschäftsbereich der Wohnungsbaugesellschaft zu leiten, wo auch die Ende vergangenen Jahres besetzten und geräumten Häuser der Mainzer Straße liegen. Nach knapp drei Monaten in Ost-Berlin beurteilt Norden die Situation der ostdeutschen Mieter pessimistisch. Jedesmal, wenn in einer der von ihm betreuten 40.000 Altbauwohnungen ein Kachelofen kaputtgeht, hat er ein Problem.

„Selbst kostenneutrale Wohnraumverbesserungen wie Einbau einer Heizung bei kaputtem altem Heizsystem können wir nicht vornehmen, weil ein eventueller Eigentümer damit nicht einverstanden sein könnte“, beklagt Norden die seiner Meinung nach ökonomische und ökologische Unsinnigkeit der bestehenden Rechtslage.

Seit dem 3. Oktober 1990 können ehemalige Eigentümer ihre Ansprüche auf die Grundstücke und Häuser anmelden. Landesämter für offene Vermögensfragen nehmen Besitzansprüche entgegen — aber „die Ämter sind noch nicht auskunftsfähig“, sagt Norden.

Auch wo die Eigentümer sich direkt gemeldet haben, wird die Situation oft nur komplizierter. Ein Beispiel ist die Mainzer Straße: Im November wurden die besetzten Häuser mit großem Polizeiaufgebot geräumt, danach begannen sofort die Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten. Doch schon bald habe sich die Westberliner Eigentümerin eines der Häuser gemeldet, berichtet Norden. Sie sei mit den Baumaßnahmen nicht einverstanden. Seitdem werde nicht weitergebaut.

Ohne Strom, Wasser, Schornsteinfeger und Hausreinigung können und wollen die städtischen Gesellschaften die Mieter aber nicht wohnen lassen und zahlen deshalb drauf. Und auch die Heizung wird nicht abgestellt, selbst wenn sie veraltet und überteuert ist. Der Müll wird weiter abgefahren werden müssen, die Differenz zahlen bis zu einer endgültigen Regelung die Steuerzahler. ap

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