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Wirtschaftsreformen durch Staatskrise gefährdet

■ Jugoslawische Republiken bremsen Reformbemühungen der Regierung

Belgrad (afp) — Die Zuspitzung der politischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien könnte nach Ansicht von WirtschaftsexpertInnen in Belgrad ein rasches Ende für die Wirtschaftsreformen bedeuten, die der jugoslawische Ministerpräsident Ante Markovic erst vor kurzem zaghaft begonnen hat.

Die Belgrader Bundesregierung unter Markovic sieht die Bemühungen, das Land auf den Weg zur Marktwirtschaft zu bringen und unrentable Betriebe zu schließen, von den Unabhängigkeitsbestrebungen zunehmend torpediert.

Vor allem die Teilrepubliken Serbien, Kroatien und Slowenien stellen ihre nationalen Interessen vor die des jugoslawischen Staates. So hat Serbien seit Januar die Steuern auf seinem Gebiet verdoppelt und bremst so das Entstehen neuer privater Unternehmen.

Die Inflation in Jugoslawien lag 1990 unabhängigen Quellen zufolge bei 130 Prozent — nach offiziellen Regierungsangaben immerhin auch schon bei 75 Prozent. Die offizielle Arbeitslosenquote beträgt bereits 15 Prozent, und Zehntausende von Beschäftigten erhalten ihre Löhne und Gehälter derzeit mit bis zu dreimonatiger Verspätung.

Das Durchschnittsgehalt liegt derzeit bei rund 370 Dollar (etwa 560 Mark). Die Industrieproduktion befindet sich weiterhin im freien Fall: Allein im Januar ging sie um 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurück, sodaß eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zu befürchten ist.

Für Jugoslawen ist ein Umtausch des Dinar faktisch unmöglich

Für die Zentralregierung in Belgrad wird es angesichts der Machtansprüche der Republiken immer schwieriger, die öffentlichen Ausgaben und die Löhne zu kontrollieren. Das wiederum blockiert die Verhandlungen mit dem Weltwährungsfonds über einen neuen Überbrückungskredit von einer Milliarde Dollar. Und vom Ausgang dieser Verhandlungen hängt letztendlich die Bewilligung eines gemeinsamen 2,5-Milliarden- Kredits von Weltbank, europäischer Entwicklungsbank, der EG und der OECD ab.

Die wachsende Unsicherheit der politischen Verhältnisse und ein Dinar, der kaum etwas wert ist, tragen außerdem nicht gerade dazu bei, ausländische Investoren ins Land zu locken. Trotz der formalen Konvertibilität des Dinar ist der Umtausch der jugoslawischen Währung in Devisen schon für Ausländer ein Spießrutenlauf, für Jugoslawen ist er faktisch unmöglich.

Seit der Verabschiedung einer neuen Gesetzgebung im Juni 1989, die Investitionen aus dem Ausland erleichtern soll, haben ausländische Unternehmen — vor allem aus Deutschland, Österreich, Italien und den USA — insgesamt 1,7 Milliarden Dollar in Jugoslawien investiert. Das ist zwar viermal so viel wie in den zurückliegenden 20 Jahren zusammen, dennoch aber immer noch sehr viel weniger als die jugoslawische Führung gehofft hatte.

Es steht also durchaus zu befürchten, daß in den nächsten Monaten zu den politischen Auseinandersetzungen neue Unruhen wegen der wachsenden Armut der Bevölkerung hinzukommen könnten.

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