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Blaue Briefe zum 1. April

■ Droht fünf großen Projekten das abrupte Aus?/ Noch diese Woche will Jugendsenator Krüger entscheiden, wie es mit der Senatsförderung für soziale Projekte weitergeht/ Ost-Theater bedroht

Berlin. Für soziale Projekte und Einrichtungen, die von der Senatsverwaltung für Jugend und Familie gefördert werden, geht die Zitterpartie weiter. In dieser Woche will Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) entscheiden, was für Bescheide er seinen sogenannten »Zuwendungsempfängern« erteilen wird. Es sei nicht ausgeschlossen, daß jetzt fünf großen Projekten auf einen Schlag der Geldhahn zugedreht werde, räumte der Senator ein. Die Zeit drängt, denn die Projekte haben bisher lediglich Finanzierungszusagen, die bis zum 31. März reichen und damit nur noch zehn Tage lang gültig sind.

Er habe drei Möglichkeiten, sagte Krüger zur taz. Theoretisch könne er alle Projekte noch bis zur Jahresmitte im alten Umfang weiterfördern — dies könne jedoch dazu führen, daß vom Finanzsenator zu erwartende Einsparungen im zweiten Halbjahr um so härter treffen würden und »wir mehr Projekte schließen müssen«, sagte Krüger. Als Alternative böte sich deshalb an, einigen Projekten sofort den Geldhahn zuzudrehen. Daneben wäre es nach Krügers Worten aber auch denkbar, bei allen Einrichtungen gleichmäßig die Zuwendungen zu kürzen. »Ein fauler Kompromiß«, meint der Senator.

Viele Projekte selbst haben den Ernst der Lage offenbar überhaupt noch nicht erkannt. »Alle Projekte gehen davon aus, daß gekürzt wird«, sagte Christian Clausnitzer vom Anti-Drogen-Verein (ADV), »aber man rechnet nicht damit, daß wir Stellen kürzen müssen«. Kündigungen, so Clausnitzers Erfahrung, führten in der Regel zu Prozessen vor dem Arbeitsgericht: »Das können wir uns finanziell gar nicht leisten.« Schon die von der ÖTV erstrittenen Gehaltserhöhungen verursachen bei vielen Projekten Mehrkosten, weiß Michael Hoffmann-Bayer, der Leiter des Drogennotdienstes am Wittenbergplatz. Und aufgrund des vom Senat für die Projekte verhängten Stellenstopps könnten freiwerdende Stellen jetzt schon nicht neu besetzt werden. Der Umfang der bisherigen Dienstleistungen sei bereits bedroht.

Klarheit für die Projekte hatte sich Krüger, wie berichtet, von der Senatssitzung am Dienstag erwartet. Weil der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt nicht anwesend waren, vertagte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die Debatte auf April. Diepgen rechtfertigte gestern diesen Schritt. Es bleibe beim alten Zeitplan. Danach werde ein Senatsentwurf Ende April oder Anfang Mai vorgelegt und im Mai vom Abgeordnetenhaus beschlossen. »Wir können auch ohne den Nachtragshaushalt arbeiten«, sagte der Senatschef.

Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (SPD-nah) sieht das anders. Jeder Tag ohne Haushalt »arbeitet gegen uns«, sagte Roloff-Sprecher Rainer Klemke. Ohne Klarheit über die finanziellen Grundlagen könnten Ausstellungen nicht vorbereitet werden. An den Ostberliner Theatern drohten die Ensembles »auseinanderzulaufen«, weil sie die Schließung ihrer Bühnen fürchten müßten. Klemke mag die Schuld an der Unklarheit freilich »nicht allein« Diepgen oder Pieroth geben. Klemke: »Diepgen hat ja auch kein Geld.« hmt

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