: Krieg mit anderen Mitteln
■ Am Golf wird der Krieg durch Aushungern der irakischen Bevölkerung fortgesetzt
Krieg mit anderen Mitteln Am Golf wird der Krieg durch Aushungern der irakischen Bevölkerung fortgesetzt
Seit der Vereinbarung einer Feuerpause zwischen den Kriegsparteien wird der Golfkrieg nicht mehr im Präsens beschrieben. Es gibt keinen Golfkrieg mehr, nur noch ein „Kriegsende“. Doch tatsächlich ist der Krieg weder formell noch faktisch beendet. Bis zum Abschluß eines Waffenstillstandes unterbricht die „Feuerpause“ lediglich die militärischen Auseinandersetzungen.
Tatsächlich aber geht der Krieg noch weiter, wenn auch mit anderen Mitteln: Denn anders als vor Kriegsbeginn entfaltet das vom UN-Sicherheitsrat beschlossene umfassende Handelsembargo gegen den Irak jetzt, da das Land durch die wochenlange, maßlose Bombardierung zerstört ist, eine katastrophale Wirkung.
Es ist schon fast in Vergessenheit geraten, daß diese Sanktionen verhängt wurden, um den Irak zur Aufgabe von Kuwait zu bewegen. Nach dem — militärisch erzwungenen — Rückzug von Saddam Husseins Armee aus Kuwait hätten sie eigentlich umgehend aufgehoben werden müssen. Stattdessen wird das Embargo nun, ähnlich wie zuvor die interpretierbare Genehmigung des Einsatzes militärischer Gewalt, zur Durchsetzung weitergehender Ziele genutzt, die durch die Beschlüsse des UN- Sicherheitsrates nicht gedeckt sind. Über den genauen Inhalt dieser Ziele besteht nach wie vor Uneinigkeit — sowohl innerhalb der US-amerikanischen Administration wie auch zwischen den Mitgliedern der multinationalen Allianz und im UN- Sicherheitsrat.
Der jüngst entstandene Bürgerkrieg im Irak war aus der Sicht dieser Staaten durchaus nicht unerwünscht. Doch droht ihnen nun die Kontrolle zu entgleiten. Die ordnungspolitischen Optionen von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates sind nun mit den Kämpfen um die Macht im Irak verzahnt: Der Bürgerkrieg zwischen den kurdischen und schiitischen Aufständischen einerseits und der irakischen Zentralregierung andererseits ist — wenn auch eingeschränkt — durch die Sanktionspolitik der UN steuerbar.
Man muß fürchten, daß die politische Stümperei der Großmächte im Nahen Osten nicht zu Ende ist. Mit Hilfe einer Differenzierung der Sanktionspolitik wollen sie die Zukunft des Irak bestimmen. Dabei ist aber klar, daß ein „schrittweises Aufheben der Wirtschaftssanktionen“, wie es jetzt der neue US-amerikanische UNO-Resolutionsentwurf vorsieht, eine Ausweitung von Hunger und Seuchen im Irak kaum verhindern, schon gar nicht, wenn sich die Beratungen im UN-Sicherheitsrat hinziehen sollten. Auch Vertreter des kurdischen Widerstandes haben die sofortige Aufhebung eines Teils der Sanktionen verlangt. In wenigen Tagen beginnt im Irak die warme Jahreszeit. Cholera und Typhus breiten sich bereits aus. Noch kennt niemand die Zahl der Toten im Irak. Doch wird man bald fragen müssen, ob die Aufrechterhaltung der Blockade nicht mehr — kurdischen, schiitischen und sunnitischen — Irakern das Leben gekostet hat, als die militärischen Angriffe der multinationalen Truppen. Nina Corsten
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