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Der Tabellenletzte verschenkt Punkte

■ Nach dem Oberliga-Spiel Berlin gegen Magdeburg (0:0) meinten beide Trainer, die besseren gewesen zu sein

Hohenschönhausen (taz) — Ein Glück, daß die Decke im Presseraum des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks nicht aus Holz ist. Die Balken hätten sich gewaltig gebogen, weil zumindest einer der beiden Trainer, Berlins Jürgen Bogs oder Magdeburgs Siegmund Mewes, kräftig geflunkert haben muß.

Ihre Stimmen zum torlosen Remis zwischen dem FCB und dem 1.FCM: »Wir haben den Sieg verschenkt.« Meinte Mewes. Sportskamerad Bogs konterte: »Wir haben den Sieg verschenkt.« »Wir hätten einen Elfmeter bekommen müssen«, sagte er trotzig. Hätte, wäre, wenn — bei zwei verhinderten Gewinnern hatte der Konjunktiv Hochkunjunktur. Die Wahrheit liegt in der Mitte, zwischen Balken und Boden, Bogs und Mewes. Und deshalb war das Unentschieden auch gerecht, basta.

Fakt ist, daß sich beide Teams einigermaßen engagiert dem Vorwurf entgegengestemmt hatten, sie würden auf dem Rasen ihrem vorgezogenen Ruhestand fröhnen. Nein, so fad war es diesmal nicht. Bogsens Berliner wirkten als Tabellenletzte zwar so nervös wie Teenager beim ersten Rendezvous, gingen aber redlich bemüht in den Angriff über. Da die biedere Kunst aber brotlos blieb, meldeten sich schnell die Miesmacher zu Wort: Ein Zuschauer empfahl gar die Lektüre eines Telefonbuchs. »Das ist spannender als dieses Spiel«, maulte die Berliner Schnauze.

In unsicheren Zeiten wie den unsrigen gerät die »schönste Nebensache der Welt« ohnehin schnell zur Marginalie. Turnväterchen Jahn, der Namenspatron des Sportparks, würde in seinem Grab gequält einen Gienger-Salto vollführen, falls er mitbekommen würde, zu welch komischen Konstellationen die Gewaltbereitschaft sogenannter Sportfans führt: Lediglich 853 Lederball-Liebhaber verloren sich im schmucken Stadion. Dafür präsentierte die Polizei ein pralles Aufgebot: 425 Beamte schoben rund um den Rasen Dienst. Und bei den Zuschauern mitgerechnet sind jene gemütlichen Pensionisten, die mit einer Zigarre im Mundwinkel auf der Tribüne ihre Abendessen verdauen. Sie — und ein Großteil der anderen Fußballfreunde — sind nicht an Krawallen interessiert.

Gleichwohl: Die Grünröcke waren auf der Hut. Vor und während der Partie geschah wenig Gewaltiges. Insgesamt vier Festnahmen, einer hatte einen Stein geworfen, drei pseudo-lustige Arschlöcher hatten ihren Arm zum Hitler-Gruß versteift. Der Rest verließ das Stadion eskortiert von den Hütern des Gesetzes, hie und da rangelnd, doch von drohenden, aber ungenutzten Wasserwerfern in Schach gehalten. Außerdem grantelten die Krawallmacher: „Wir hatten uns mit Magdeburgern zu einem Kampf verabredet. Aber die sind ja nicht gekommen". Sepp

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