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Südafrikas Exilanten kehren zurück

Exilierte ANC-Anhänger landen in Johannesburg/ Regierung erlaubt UNO Beteiligung am Rückkehrerprogramm/ „Wer keinen festen Job hat, wird große Probleme haben“  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Die zitternde weiße Frau — Mitte Fünfzig, spraylackierte Haarkreation, Perlenkette, Goldringe — flehte mich um Hilfe an. „Bitte, ich habe solche Angst vor den Eingeborenen“, stammelte sie händeringend. „Wie komme ich hier raus? Ich habe mich vollkommen verlaufen.“ Eine Viertelstunde war sie auf dem Parkplatz des Johannesburger Flughafens herumgeirrt. Sie hatte zu große Angst, zum Flughafengebäude zu gehen.

Die „Eingeborenen“, das waren ein paar hundert Anhänger des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), die Anfang März das erste Flugzeug mit Rückkehrern aus dem Exil begrüßten. Zwar waren da, wie immer, die scharfen Polizeihunde, die Reihen bulliger Ordnungshüter, die durch Beschlagnahmung von ANC-Fahnen für Ruhe sorgten. Aber die Atmosphäre war freudig, gelassen. „Heute geht endlich die Tür auf“, sagte ANC-Rechtsanwalt Mathew Phosa, ein Mitglied des Verhandlungsteams, das die Rückkehr mit der Regierung ausgehandelt hatte. „Das ist ein großer Schritt vorwärts für uns.“

Die fast hundert Leute, die in dem ersten Flugzeug aus Sambia saßen, mußten eine Sonderabfertigung über sich ergehen lassen — Fingerabdrücke, Paßfotos, Formulare. Anfangs blickten sie verwirrt in die Blitzlichter der Fotografen. Dann hoben einige die Faust, umarmten Verwandte und prominente ANC- Führer. „Ich bin glücklich, wieder zu Hause zu sein“, sagten alle. Aber sie blickten auch mißtrauisch auf die Polizeiketten, die den Flughafen abgeriegelt hatten.

Die Zukunft der Rückkehrer ist unsicher. Ein vom südafrikanischen Kirchenrat geführtes Empfangskomitee sorgt für die erste Unterkunft und für die Kontaktaufnahme mit Angehörigen. Jeder Rückkehrer erhält außerdem 300 Rand (etwa 180 Mark) als Starthilfe. Aber langfristige Perspektiven bleiben ungeklärt. Ein ANC-Sprecher sagt, daß ein Drittel der Rückkehrer hochqualifiziert ist, darunter Ärzte, Ingenieure, Wissenschaftler, Piloten. Ende April wollen 250 führende Geschäftsleute die Arbeitsmöglichkeiten für Rückkehrer besprechen. Aber Arbeitsgarantien gibt es keine.

„Wer keinen festen Job hat, wird große Probleme haben“, meint Lucky Mabasa. Er hat in Geschichte und Philosophie promoviert. Seine Frau Rachel ist Zahnärztin. Seit ihrer Rückkehr leben sie bei seinen Eltern in Soweto. „Wir sind bei weitem nicht finanziell unabhängig, können nicht für uns selbst sorgen“, meint Mabasa. „Seit ich zurück bin, ist mir klargeworden, daß der Kampf gegen die Apartheid noch lange nicht vorbei ist. Wir sind zurückgekommen, um den ANC bei seinem Kampf für Gerechtigkeit zu stärken.“

Der ANC hat diese Stärkung bitter nötig. Die Organisation leidet an akutem Personalmangel. Aber obwohl ein Abkommen mit der Regierung im August letzten Jahres die Rückkehr der meisten exilierten SüdafrikanerInnen bis Ende 1990 in Aussicht gestellt hatte, hat sich die Repatriierung verzögert. Monatelang weigerte sich die Regierung, der Mehrheit der ANC-Mitglieder Straffreiheit zu garantieren.

Erbost warnte der ANC im Dezember, daß die Verhandlungen abgebrochen würden, wenn die Repatriierung und die Freilassung von politischen Gefangenen nicht bis Ende April abgeschlossen sei. Jetzt gibt die Regierung nach. Eine allgemeine Straffreiheit für alle ANC-Mitglieder, die militärische Ausbildung erhalten haben, wurde Mitte März erklärt. Und letzte Woche gab die Regierung auch an einer anderen Front nach: Sie will dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) erlauben, die Repatriierung von Rückkehrern zu koordinieren.

Dagegen hatte Pretoria sich seit Monaten gesträubt. Präsident Frederik de Klerk hatte gemeint, die Mitwirkung einer UNO-Organisation könnte die Souveränität seiner Regierung antasten. Das soll Außenminister Pik Botha zufolge nun verhindert werden durch einen Vertrag mit dem UNHCR, „der die Souveränität Südafrikas nicht einschränkt“. Die Beteiligung der UNO am Repatriierungsprogramm ist besonders wichtig, da viele Regierungen sich geweigert hatten, südafrikanischen Organisationen die notwendigen Millionen zu geben. Die UNO schätzt die Kosten für die Rückkehr der etwa 40.000 exilierten Südafrikaner auf 40 Millionen Dollar.

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