: Massaker im Irak — Bremen guckt zu
■ Unter den Bremer Kurden ist die Stimmung verzweifelt/ Deutsche sind ratlos
Auch über Ostern ging das Morden im irakischen Kurdistan unvermindert weiter. Auf kurdische Städte wurden Napalmbomben geworfen, die Straßen sind von Opfern übersät. Die Diskussion über ein mögliches Eingreifen zeugt dagegen auch in Bremen eher von Rat- und Konzeptlosigkeit. „Warum“, so lautet der Vorwurf der Betroffenen, „haben die Allierten uns zum Widerstand gegen Saddam Hussein gedrängt und lassen uns jetzt tatenlos mit den Konsequenzen allein.“
Im Kurdischen Kulturverein Bremen ist die Stimmung verzweifelt. „Für Kuwait ist die ganze Welt aufgestanden“, empört sich Yasar Yormaz, „aber für die sechs Millionen irakischen Kurden setzt sich niemand ein.“ Seine Überzeugung: Wenn sich die Uno dazwischenstellen würde, könnte Hussein gestoppt werden.
Der Bremer Anwalt Volkert Ohm, der sich u.a. für kurdische Asylbewerber einsetzt, meint dagegen, die Allierten sollten sich auf keinen Fall militärisch in den Konflikt einmischen. Eine militärische Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes aus der Bundesrepublik kann er sich aber vorstellen. „Denn genauso wie die USA, England oder Frankreich trägt auch die Bundesrepublik die Verantwortung für die jetzige Situation“, begründet er.
Bei den Grünen herrscht Unsicherheit. „Ich habe Skrupel, jetzt dafür zu plädieren, die Kurden militärisch zu unterstützen“, sagt Fraktionssprecher Martin Thomas, „denn es könnte ja passieren, daß sie, falls sie an die Macht kommen, sich bei der Regierungsbildung als undemokratische Kräfte herausstellen.“ Außerdem werde die UNO von den USA beherrscht, die ganz andere Ziele, als die Interessen der Kurden hätten. Die Leidtragenden seien die Kurden. „Es zeigt sich mal wieder, wie Menschenrechte Machtinteressen untergeordnet werden. Zum zweiten Mal werden die Kurden von Hussein vernichtet und die Welt schweigt.“ Trotzdem bleibt Thomas bei seinem grundsätzlichen „Nein“ gegen militärisches Eingreifen. „Die irakische Opposition muß sich selbst gegen Hussein durchsetzen.“
Anwalt Hans-Eberhard Schultz, der sich für zahlreiche kurdische Asylanten in Bremen eingesetzt hat, ist ebenfalls grundsätzlich gegen militärisches Eingreifen, macht jedoch Einschränkungen. „Voraussetzung für einen Angriff der Allierten müßte die Anerkennung der kurdischen Nation sein und ihr Selbstbestimmungsrecht“, sagt er. Außerdem müßten Verträge mit den Vertretern der Kurden abgeschlossen werden.
Hans-Günter Sanders, Pastor der Zion-Gemeinde betreut neben anderen Ausländern auch kurdische Asylanten. Er fast sämtliche Gefühle, die bei diesem Thema aufkommen können zusammen: „Ich bin da sehr wiedersprüchlich. An sich sollten die allierten Truppen eingreifen zugunsten der Kurden und das Gemetzel beenden. Andererseits sollten sie da nicht einen Tag länger stehen. Und drittens wünsche ich mir natürlich, daß dort demokratische Verhältnisse entstehen und daß Hussein ganz beseitigt wird. Aber wie das alles zu realisieren ist, weiß ich auch nicht. Ich habe kein Rezept. Früher dachte ich, es gäbe für alles politische Rezepte. Mir wurde in dieser Situation mal wieder deutlich, wie hilflos und konzeptlos ich bin.“ Birgit Ziegenhagen
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