piwik no script img

Armee ergreift Partei für Serbien

■ Das jugoslawische Staatspräsidium forderte gestern Kroatien ultimativ dazu auf, die Polizeitruppen aus der Region um Plitvice abzuziehen/ Armee will gegen die kroatischen Milizen vorgehen

Belgrad (dpa/afp/taz) — Die Vertreter von Kroatien und Slowenien im achtköpfigen jugoslawischen Staatspräsidium haben am gestrigen Dienstag eine Eilsitzung der Staatsspitze in Belgrad boykottiert. Das Präsidium wollte auf dieser außerordentlichen Sitzung über ein Ultimatum der Armee an Kroatien entscheiden. Danach sollte diese Republik bis gestern um 15 Uhr ihre Polizeikräfte aus dem umkämpften Nationalpark „Plitvice“ zurückziehen. Andernfalls will das Militär einen entsprechenden Beschluß der Staatsführung vom letzten Sonntag mit Gewalt durchsetzen, die den Abzug aller Milizen aus der Region gefordert hatte. Am Sonntag war es im Nationalpark Plitvice in Kroatien zu blutigen Zusammenstößen zwischen serbischen und kroatischen Polizisten gekommen. Dabei wurden zwei Menschen getötet und über zwanzig zum Teil schwer verletzt.

Die Armeeführung fordert darüber hinaus vom Staatspräsidium, das formal Oberster Befehlshaber der Streitkräfte ist, die kroatischen Polizeiverbände gewaltsam zu vertreiben. Weiter will der Generalstab die Erlaubnis, im Gebiet der serbischen Minderheit in Kroatien ständig für „Frieden und Ordnung“ zu sorgen. Damit ist eine direkte Konfrontation der Armee mit Kroatien in greifbare Nähe gerückt. Kroatien hatte einen Befehl von Jugoslawiens Staatsspitze zum Rückzug seiner Polizeikräfte abgelehnt und im Gegensatz dazu in der Nacht zum Dienstag die eigenen Milizen in der Krisenregion noch verstärkt. Die Polizei werde auch im „widerrechtlich“ von Kroatien abgespaltenen „Autonomen Serbischen Gebiet“ für Ruhe und Ordnung sorgen, hatte Kroatiens Präsident Franjo Tudjman die Anordnung verworfen. Rückendeckung erhielt die kroatische Führung durch den Kroatischen Verteidigungsrat, der die Anweisung des Staatspräsidiums als „neuen Versuch gewisser militärischer und politischer Kreise, der Armee eine Schiedsrichterrolle bei der Regelung der politischen Krise Jugoslawiens zuzusprechen“ bezeichnete.

Das Parlament der größten Republik Serbien tagte gestern in Belgrad hinter verschlossenen Türen. Kern der Beratungen ist eine Antwort auf den Anschluß der serbischen Minderheit in Kroatien an die „Mutterrepublik“ Serbien vom Vortag. Zur Debatte stehen auch materielle Hilfen für die serbischen Brüder in Kroatien und die Mobilisierung aller Polizeireserven in Serbien.

Die wichtigste internationale Eisenbahnstrecke Jugoslawiens ist zwischen Belgrad und Zagreb, den beiden größten Städten des Landes, unterbrochen. Der Verkehr sei nach mehreren ernstzunehmenden Bombendrohungen eingestellt worden. Der Eisenbahnverkehr von der Adriaküste ins Inland war ebenfalls unterbrochen, weil die serbische Minderheit an zahlreichen Stellen die Gleise vermint hatte. Auch der Autobusverkehr und der private Pkw-Verkehr waren auf allen wichtigen Überlandstraßen durch Barrikaden unterbrochen.

In Knin, der „Hauptstadt“ des „Autonomen Serbischen Gebietes“, wurden in der Nacht wieder zwei Sprengstoffanschläge verübt. Dabei wurden ein Café und eine Bäckerei zerstört. Schon vor zwei Wochen waren hier zwei Bomben explodiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen