: Bewegte Farben
■ Das Frankfurter Filmmuseum stellt Arbeiten des Malers und Filmausstatters Hein Heckroth vor
Die Bildgestaltung ist nicht mehr nur formales Hilfsmittel, sondern trägt entscheidend dazu bei, die Geschichte des Films zu erzählen.“ So Martin Scorsese, der wegen (vergeblichen) Hoffnungen auf einen Oscar nicht zur Eröffnung der Hein-Heckroth-Ausstellung am 27.3. ins Frankfurter Filmmuseum kommen konnte, im Katalog. Das Buch ist der erste Text-Bild-Band überhaupt, der die Bedeutung des Malers Hein Heckroth für den Film untersucht. Denn anders als andere Künstler des 20. Jahrhunderts, die sich meist nur zeitweilig mit dem Film befaßten, ging Heckroth immer vom Tafelbild aus, dessen Farbkomposition in bewegte Farben überführt werden sollte. Während die Avantgardisten geometrische Elementarformen in Bewegung brachten (Eggeling), dem Moment durch mehrfache Wiederholung Dauer verleihen wollten (Leger) oder Bilder als Episoden begriffen (Hans Richters surrealistische Filme), benutzte die etablierte Moderne den Film zur Selbstinszenierung (Clouzots Picasso) oder wirkt mittelbar auf Filmbilder (Ottomar Domnicks frühe Filme). Alle diese Varianten des Künstler- Films postulieren entweder einen gattungsüberschreitenden Künste- Begriff oder lassen die Bilder auf dem Bildträger. Heckroth dagegen — und darin ist seine Filmmalerei einzigartig — geht von von einer Farbe dominierter Malerei aus, die durch hinzukommende Kontrastfarben in Bewegung versetzt wird. So beginnt die Ballettsequenz in The red shoes, die Heckroths Erfolg als Filmausstatter begründete, mit einem dunkelroten Vorhang, der sich zugunsten der anderen Primär- und im weiteren Verlauf der Komplementärfarben öffnet. Heckroth hat für diese Sequenz aber nicht nur die Farbregie und Raumausstattung vorgenommen, sondern auch den perspektivischen Aufbau der Szene und damit die Kameraeinstellung vorgegeben, wie in der Ausstellung anhand der Entwurfsskizzen zu sehen ist. Daß diese offenkundige Einmischung in andere Arbeitsfelder funktionierte, so sehr sie auch durch die Forderung nach malerischer Komposition bedingt war, hat wohl einiges mit der von Hansgeorg Dickmann am Eröffnungsabend betonten Gewohnheit Heckroths zu tun, die eigenen Ideen als die der anderen (Mitarbeiter) auszugeben.
Von The red shoes (1948) bis zu Heckroths Todesjahr 1970 entstanden über 30 Filme mit seiner Beteiligung, Theaterverfilmungen mit seinen Bühenenbildern, Filme, für die er Szenenbilder entwirft, und andere, die er künstlerisch betreut. Bei seinem letzten Film, dem einzigen, bei dem er auch Buch und Regie führt, erlebt er die Fertigstellung nicht mehr: Die Wand (1970), eine Maler-und-Modell-Geschichte, nicht frei von Trivialität, die aber durch Heckroths Selbstironie erträglich wird. Die Zeichnungen des „alten Mannes“ gleichen bis hin zum Bauchumfang den Selbstporträts, die Heckroth gelegentlich als Widmungen in Kataloge zeichnete. In Überblendungen wechseln die Filmsequenzen vom gemalten zum gespielten Bild und wieder zurück, die Moritat- und Bilderbogenwirkung reflektiert noch einmal die Ausstattung der Dreigroschenoper-Verfilmung 1963.
Wenn jetzt zum 90. Geburtstag des Künstlers eine Schau im Frankfurter Filmmuseum stattfindet, bedeutet das zwar nach den Ausstellungen 1970 im Frankfurter Kunstverein und 1977 in den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel bzw. der Jahrhunderthalle Höchst eine späte Ehrung, aber auch einen überdeutlichen Hinweis auf das von der Stadt Frankfurt Versäumte. Heckroths Name ist trotz der langjährigen Arbeit als Bühnenbildner der Städtischen Bühnen seit 1956 so sehr in Vergessenheit geraten, daß noch zu Beginn dieses Jahres ein renommiertes Frankfurter Antiquariat eines der Widmungs-Selbstporträts in die Ramschkiste überführte. Daß diese Würdigung einer seiner Schaffensbereiche endlich zustande gekommen ist, ist Heckroths Frau Ada zu verdanken. Ihre Biographie macht auf das aufmerksam, was nach dieser Ausstellung noch zu leisten sein wird: 1933 flieht Ada Heckroth aus dem faschistischen Deutschland nach Paris, wo Carl Einstein sie aufnimmt.
Auf den Einfluß der Kunsttheorie Einsteins für die bildnerischen Konzeptionen Heckroths hat Hubertus Gassner in seinem Katalogbeitrag hingewiesen, nicht aber auf die grundsätzliche Neubestimmung der Tätigkeitsbereiche Einsteins in den Jahren 1933/34, der Zeit, in der die Heckroths häufig mit Einstein zusammentreffen. Einstein schreibt 1934 am Drehbuch für Jean Renoirs Toni, sieht den Film als eigentlich neue Kunstform des 20. Jahrhunderts. Bislang waren Einstein-Interessierte keine Heckroth-Forscher, aber das muß nicht so bleiben. Ein durch eine Retrospektive der Filme Heckroths ergänzter beachtenswerter Anfang einer Wiederentdeckung ist jedenfalls gemacht. Jörg Stürzebecher
Ursula Wenzel
Hein Heckroth: Film-Designer, im Frankfurter Filmmuseum. Bis 9.6. Begleitend dazu laufen im Kommunalen Kino Filme, die Heckroth ausgestattet hat. — Zeitgleich zeigt die Galerie Rothe/Graphisches Kabinett in Frankfurt, Barckhausstr. 6, bis 4.5. informelle Mischtechniken Heckroths.
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