UdSSR: Devisenschwarzhändler ohne Geschäftsgrundlage

■ Sowjetische Mafia erfuhr zu spät von der Teilkonvertierbarkeit des Rubel

Moskau/Berlin (taz) — Den Mittwoch dieser Woche werden die Händler auf dem Moskauer Devisenschwarzmarkt nicht so schnell vergessen: Von einem auf den anderen Tag hat ihnen die sowjetische Staatsbank die Geschäftsgrundlage entzogen. In den staatlichen Wechselstuben werden an TouristInnen seit gestern für eine Mark 16,55 Rubel ausgezahlt. Bislang hatte es offiziell nur 3,50 Rubel für eine Mark gegeben.

Anders als bei der Entwertung der 50-Rubel-Scheine Ende Januar scheint es der Zentralbank diesmal gelungen zu sein, ihr Vorgehen vor der Sowjetmafia geheimzuhalten. Am Dienstag hatte die Staatsbank eine Geldauktion stattfinden lassen, zu der elf sowjetische Banken zugelassen waren; dort entstand der nun gültige Marktkurs. Solche Auktionen sollen künftig jeden Dienstag und Donnerstag stattfinden.

Eine repressive Seite hat der neue Kurs dennoch und wird dafür sorgen, daß es auch weiterhin einen Schwarzmarkt gibt: SowjetbürgerInnen dürfen für Reisezwecke nicht mehr als 200 Dollar im Jahr eintauschen — AussiedlerInnen erhalten gar nur 100 Dollar. Zudem sind weiterhin viele Waren des „gehobenen“ Bedarfs nur gegen Devisen erhältlich. Zwar verbilligt der neue Kurs den Tourismus weiter, sonderlich fördern wird er ihn jedoch nicht. Denn das Angebot an Waren und Dienstleistungen ist dermaßen knapp, daß AusländerInnen kaum daran interessiert sein werden, sich in eine der Schlangen zu stellen. Nur die Einkäufe auf den Kolchosenmärkten werden billiger. Dort allerdings befanden sich die Preise umgerechnet deutlich über dem westlichen Preisniveau und liegen jetzt etwas darunter. Und die U-Bahnfahrt kostet umgerechnet nicht mehr 3,7 Pfennig, sondern 0,9.

Im Sektor jedoch, in dem ein Umtauschkurs entscheidend ist — dem Außenhandel — bleibt der alte Kommerzrubelkurs von 1,76 Rubel pro Dollar oder ungefähr ein Rubel für eine Mark weiter gültig; bei sechs Pfennigen für den Touristenrubel mithin das mehr als dreißigfache des Marktpreises. Erst wenn er fiele, wäre die volle Konvertierbarkeit des Rubels erreicht — mit verheerenden Folgen für die sowjetische Wirtschaft, deren staatlich festgelegtes Preissystem gegenüber dem kapitalistischen Weltmarkt stark verzerrt ist. Gegen einen ungeheuren Ausverkauf an „den Westen“ würde nur eine rigide Kontrolle der Exporte helfen, während die für die Modernisierung der gesamten UdSSR extrem wichtigen Importe, in Rubel gerechnet, unerschwinglich würden. Wenn SowjetbürgerInnen gleichzeitig in jeder Höhe Rubel gegen Devisen tauschen könnten, würde der Prozeß noch beschleunigt. Dann würde das Geld, daß sich bei künstlich niedrigen Preisen vor allem in den Wirtschaftsunternehmen sammelt, auf den Devisenmarkt schwappen und den Rubelkurs weiter drücken.

Mit der teilweisen Konvertierbarkeit des Rubel hat die Staatsbank immerhin zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: dem Schwarzmarkt einen harten Schlag versetzt und durch seine weitgehende faktische Verstaatlichung die Möglichkeit geschaffen, ihre Deviseneinnahmen bequem zu erhöhen. diba