: Berliner Senat stürzt sich in Schulden
Die Stadt kann ihre Haushaltslöcher in diesem Jahr nur mit einer Neuverschuldung von vier Milliarden Mark stopfen/ Es bleibt eine Lücke von über zwei Milliarden Mark/ Bedroht: die sozialen Projekte ■ Aus Berlin Kordula Doerfler
Die finanzielle Lage Berlins nach der Vereinigung ist zwar nicht ganz so katastrophal wie die der Ostbundesländer, jedoch alarmierend genug: Nach einem Entwurf des Berliner Finanzsenators Elmar Pieroth (CDU) für den Nachtragshaushalt 1991 will sich der Berliner Senat in diesem Jahr allein mit knapp vier Milliarden Mark verschulden. Selbst der Senator muß in seiner, der taz vorliegenden, Vorlage bekennen, daß eine derart hohe Verschuldung „haushaltsrechtlich und finanzpolitisch im Grunde genommen gar nicht vertretbar“ sei.
„Notgedrungen“ müsse man aber solche Kredite in Kauf nehmen, um das Milliardenloch im Gesamtberliner Haushalt zu stopfen. Trotz der horrenden Nettoneuverschuldung klafft im Berliner Haushalt dann immer noch eine Deckungslücke von über 2 Milliarden Mark. Für dieses Loch will Pieroth weiterhin in Bonn beim Bundesfinanzminister auf eine Aufstockung der sogenannte Berlin- Hilfe drängen. Waigel hatte jedoch in der Vergangenheit bereits deutlich zu erkennen gegeben, daß er nicht bereit ist, Berlin mehr als eine zusätzliche Milliarde Haushaltshilfe zu bewilligen.
Traditionell wurde der Westberliner Haushalt zur Hälfte aus Bundesmitteln finanziert, die jetzt stufenweise in wenigen Jahren abgebaut werden sollen. Aber: Die Kürzungen aus Bonn und die geringe Steuerkraft im Osten werden die Verschuldung weiter in die Höhe treiben. Der Entwurf des CDU-Senators enthält neben der Deckungslücke einen weiteren Haken: Bereits Ende letzten Jahres hatte der damalige Finanzsenator Meisner (SPD) eine elfprozentige Haushaltssperre für alle Ressorts verhängt. Diese Sperre soll nun offensichtlich nicht, wie vor kurzem noch behauptet, teilweise aufgehoben werden. Vielmehr bleibt es bei einer Kürzung der Zuwendungen für bestimmte Einrichtungen in Westberlin und Sachmittel in Höhe von 6,5 Prozent.
Besonders betroffen sind davon die öffentlichen Verkehrsmittel, die Universitäten, kulturelle und soziale Projekte. Die anderen fünf Prozent müssen in den Ostteil der Stadt umgeschichtet werden, in dem es an allen Ecken und Enden mangelt. Diese Mittel gehen zumindest dem Westteil der Stadt verloren.
Offiziell beschlossen werden soll der Berliner Haushalt für das Jahr 1991 nächste Woche im Senat und im Mai durchs Parlament gehen. Der Nachtragshaushalt ist durch die deutsche Einheit notwendig geworden: Der rot-grüne Vorgängersenat hatte als eine seiner letzten Amtshandlungen einen Haushalt nur für den Westteil der Stadt beschlossen. Bereits für Anfang März waren die Eckdaten für dieses Jahr versprochen worden, die Behandlung des Haushalts wurde jedoch von Woche zu Woche verschoben und mußte jetzt erneut vertagt werden. Vor allem die SPD im Senat drängt den CDU-Senator seit Wochen, endlich einen Entwurf vorzulegen. Besonders verärgert ist der Berliner Senator für Jugend und Familie, Thomas Krüger (SPD), in dessen Zuständigkeit rund 750 Projekte fallen, die seit Jahresbeginn um ihre Finanzen bangen. Krüger hatte bereits Anfang März den in Berlin besonders zahlreichen Elterninitiativ- Kindertagesstätten die Finanzierung bis zum Jahresende zugesichert. Rund 150 Selbsthilfeprojekten aus dem Jugend- und Drogenbereich wurden in der letzten Woche von Krüger Mittel bis zur Jahresmitte zugesichert. Dennoch will der aus Ostberlin kommende Senator weiterhin nicht ausschließen, daß einigen Projekten das Aus droht.
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