: Viel Dope, viel Hope
■ Diego Maradona bekam 15 Monate Koks-Sperre und ging erstmal zelten
Gespür für Delikatesse und ein Herz für die Nöte der italienischen Sportgazetten bewies der italienische Fußballverband. Anstatt dem notorischen Kokainfreund Diego Maradona die Höchststrafe aufzubrummen und ihn für zwei Jahre, also ziemlich genau bis zum Ablauf seines bis 1993 laufenden Vertrages mit dem SSC Neapel zu sperren, beließen es die Funktionäre bei 15 Monaten und lieferten so den Stoff für weitere Spekulationen. Vom 30. Juni 1992 an darf sich das argentinische Goldfüßlein wieder dem Ball nachschleppen.
Was es selbstredend tun wird, denn kaum ein anderer Fußballspieler gleicht so sehr jenem Fußballwahnsinnigen des Joachim Ringelnatz, der manisch nach allem tritt, was nur eine einigermaßen runde Form hat. Trotz allen gelegentlichen Überdrusses ist Maradona mitnichten ein Platini, der angewidert vom Gestümper seiner Mit- und vom Geholze seiner Gegenspieler frühzeitig das Spielfeld mit der Trainerbank vertauscht. Dort würde es Diego keine fünf Minuten aushalten, ohne sich selbst einzuwechseln.
Keine Frage also: bevor Maradona über jeden am Weg liegenden Gemüsestand herfällt und per Hackentrick Orangen oder Melonen in die Gegend bolzt, wird er nach Ablauf seiner Sperre wieder brav die Kickstiefelchen schnüren und, möglicherweise leicht abgerundet, die Bälle durch die Stadien streicheln. Wenn einer bei der WM 1994 mit Sicherheit dabei ist, dann Diego Maradona.
Vorerst jedoch genießt er in bester Laune den unverhofften Heimaturlaub, geht zelten, spielt frohgemut Tennis, kuriert seine diversen Wehwechen aus, angelt in der hübschen Provinz Corrientes, erfreut sich der Kochkünste seiner Mama, und nach Bolivien oder Kolumbien ist es auch nicht allzu weit. Geduldig kann er abwarten, was die italienische Justiz in den nächsten Monaten wohl mit ihm anstellen wird, und in aller Ruhe überlegen, wo er künftig seine Kabinettstückchen unters Volk streuen möchte.
In Argentinien vielleicht, wo das Idol seiner Jugend, Ricardo Bochini, schließlich noch mit weit über vierzig Jahren die Bälle verteilt? Im geldträchtigen Japan? Oder gar in den fußballerisch wiedergeborenen USA, dem Lande, wo Coke und Koks in Strömen fließen und die nächste WM dringend ein Zugpferd braucht? Wahrscheinlich aber doch am ehesten in Neapel, wo das Gras schneller über Dinge wächst als überall sonst auf der Welt und wo in fünfzehn Monaten die Sehnsucht nach Diegos Wiederauferstehung ins Unermeßliche gestiegen sein wird.
Alles in schönster Butter also für Diego Armando Maradona, und was seinen vielbeschworenen guten Ruf betrifft, braucht er sich wahrhaftig keine Sorgen machen. Schließlich mußte auch der große Zico einst bei Nacht und Nebel aus Italien flüchten, um einer Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung zu entgehen. Und der ist heute immerhin Minister. Matti
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