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Der Pillendreh

■ „Der Gaukler“ von Christoph Fischer am Leibnizplatz enthüllt / Eine ausgesprochen nützliche Skulptur

Leibnizplatz, gestern Mittag, ein Kranwagen steht auf einer Verkehrsinsel und hält eine eingewickelte Figur in die Höhe. Maurer in Kluft zementieren Tageszeitungen in einen Sockel. Das ist auch heute noch und auch in Bremen so: Wo Sockelkunst, zumal aus ewiger Bronze, aufgestellt wird, da wird feierlich enthüllt und eingeweiht.

Die Herren sind vollzählig versammelt, die das Kunstwerk zu loben hat, weil sie sich verdient gemacht haben: Kunstsenator Henning Scherf (“unsere Kunst im öffentlichen Raum...“); der Neustädter Ortsamtsleiter Klaus Rosebrock (“Wir sind hoffnungsfroh, daß mit der Skulptur der Anfang zu einer Umgestaltung des Leibnizplatzes gemacht ist“); der Apotheker und Kleinmäzen Alfred Schöning (“Wenn ich dadurch mehr Pillen verkaufe, nehme ich das mißbilligend in Kauf“); sowie Norbert Kentrup von der benachbarten Shakespeare Comp., welche am augenfälligsten profitiert.

Denn — die Skulptur ist inzwischen (diebstahlsicher) in Schnellbinder verankert und ausgewickelt und mit Worten statt Sekt begossen — das Objekt stellt einen Gaukler dar, der auf eine Lanze einen Vogelkopf gespießt hat, und dieser Vogel blickt deutlich Richtung Spielstätte des Company!

Der das Bild gehauen hat, heißt Christoph Fischer, wurde 1956 in der Eifel geboren und studierte in Köln und seit 1982 bei Bernd Altenstein an der Hochschule für Künste. Sein Metier ist die Tierplastik, sagt er, und sein Material meist Terrakotta. Als Kleinplastik stand der „Gaukler“ lange bei den Shakespeares rum, Teil eines Kunst-und-Theater-Projektes von Peter Schäfer (HfK). Eine große Ausführung in Terrakotta, fand man, sei erstrebenswert, aber in Verkehrsinsellage und wegen „Vandalen“ gefährdet.

Dann kam Schöning. Der rührige FDP-Beiratler und „Greif“- Apotheker vom Buntentor kitzelte aus Geschäftsfreunden und der Sparkasse und der eigenen Schatulle 20.000 DM raus, so daß die Stiftung wohnliche Stadt nur nochmal soviel drauflegen mußte: Im Januar konnte Christoph Fischer in Düsseldorf gießen lassen. Nun hat er als noch nicht abschlußgeprüfter Künstler schon eine große Bronze im öffentlichen Bremer Raum stehen.

„Heiter und melancholisch“ sieht der Künstler sein Werk. Der Gaukler mit Vogelmaske sieht im Handspiegel sein wahres Gesicht. „Maske“, das Thema lief Fischer im Ostertor vor die Füße in Gastalt der Passanten, die in der Regel ihr Haus nie ohne „Maske“ verlassen. Dadurch, daß der Gaukler seine Maske noch einmal auf der Lanze trägt, wirkt er wie ein Herold oder Wächter über die Maskierung, mit der er sein Spiel treiben will. Das Spiegelgesicht schaut übrigens erschrocken.

„Wir ernähren unsere Künstler selbst“

„Wir“, trompetet Norbert Kentrup gegen den Wind, „ernähren unsere Künstler selbst!“ Und überreicht dem Bildhauer mit rührender Geste einen Scheck über 500 DM. Und hat schon wieder weitergehende Wünsche für den Leibnizplatz: Ein Skulpturenpark soll wachsen, ein Theatercafe entstehen, und außerdem muß die Straßenbahnhaltestelle in „Theater am Leibnizplatz“ umbenannt werden. Und auch der Apotheker ist noch nicht zufrieden: Sein nächstes Projekt ist der Wasserturm, der mal „umgekehrte Kommode“ hieß wegen der Türmchen. Die sind futsch. Kriegsschäden. Die sollen wieder her. Die Kosten: „astronomisch“!

Und Christoph Fischer, der Schöpfer dieses so vielseitig nützlichen Kunstwerks? Jedes Jahr so ein Auftrag, und man könnte von der Kunst leben. Sagt er und hängt die Skeptikermaske vors Gesicht. Bus

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