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Umgestaltung der UNO-betr.: "Das Recht auf Tyrannei" (Der kurdische Alptraum und das Dogma der "Staatssouveränität), Essay von Michael Ignatieff, taz vom 9.4.91

betr.: „Das Recht auf Tyrannei“ (Der kurdische Alptraum und das Dogma der „Staatssouveränität), Essay von Michael Ignatieff,

taz vom 9.4.91

Obwohl den vom Genozid bedrohten Kurden des Iraks sofort und notfalls mit Gewalt zu einer Autonomie im Rahmen des Iraks verholfen werden muß und sie nicht auf eine noch zu schaffende bessere Weltordnung vertröstet werden dürfen, ist ihr Elend einer von vielen Gründen, ernsthaft über eine Reform des internationalen Systems nachzudenken.

Dabei forderte Ignatieff für die UNO ein „Recht auf humanitäre Einmischung“ zum Schutz nationaler Minderheiten. Dieses Recht sollte aber für alle Menschen gelten, deren Menschenrechte von ihrer Regierung mißachtet werden, egal ob sie zu einer verfolgten Minderheit gehören oder dieselbe Nationalität wie ihre Unterdrücker haben. Und es muß auch egal sein, ob das wegen Menschenrechtsverletzungen UN- Sanktionen oder gar einer Militärintervention ausgesetzte Land beispielsweise Israel oder Irak heißt und ob die Rechte palästinensischer Araber oder irakischer Kurden verteidigt werden müssen.

Doch damit die Vereinten Nationen die Einhaltung der Menschenrechte überall auf der Erde garantieren können, müssen sie selbst umgestaltet werden. Die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats und ihr Vetorecht (durch das die UNO zu einem Instrument der Großmächte geworden ist) müssen abgeschafft werden. Eine internationale Rechtsprechung sollte zwischenstaatliche Konflikte regeln und als Instanz fungieren, bei der alle Menschen die Einhaltung der Menschenrechte durch ihre Regierungen einklagen können, und die UNO sollte die Einhaltung der Urteile dieser internationalen Justiz durchsetzen.

Natürlich sind diese Vorschläge heute völlig utopisch, ebenso wie eine Aufwertung der UN bei der Lösung globaler ökonomischer, sozialer und ökologischer Probleme oder gar die Idee, neben der aus Regierungsvertretern bestehenden UN- Vollversammlung ein aus in den einzelnen Mitgliedsstaaten gewählten Abgeordneten bestehendes UN-Parlament zu schaffen.

Es ist allerdings nicht utopisch, sondern völlig naiv, vom derzeitigen internationalen System etwas anderes als Elend und Katastrophen aller Art zu erwarten. Sich gegen seine Reform auszusprechen (wie lange sie auch dauern mag) bedeutet, die elementarsten Prinzipien der Menschlichkeit abzulehnen und das Risiko einzugehen, eines Tages ähnlich der für die Greueltaten Nazi-Deutschlands verantwortlichen Generation gefragt zu werden: „Warum habt ihr nichts dagegen getan?“ Frank Bartling, Berlin

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