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Kohl und Vogel suchen Konsens

■ Heute Zwiegespräch über Ost-Misere/ Koalitionsstreit um Vermögenssteuer köchelt weiter

Bonn (afp) — Kanzler Kohl (CDU) und SPD-Chef Vogel treffen heute zu einem ersten Gespräch über eine Kooperation von Regierung und Opposition zusammen. Dabei werden vor allem Maßnahmen zur Behebung der wirtschaftlichen Misere in Ostdeutschland erörtert. Vogel sagte, er wolle die künftige Zusammenarbeit mit der Bundesregierung vom Verlauf des Gesprächs abhängig machen. Einer großen Koalition erteilte der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende aber erneut eine klare Absage.

Nach den Worten von CDU-Generalsekretär Volker Rühe stellt das Treffen eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Regierung und Opposition dar. „Wir wollen die Chancen für mögliche Gemeinsamkeiten nutzen“, sagte er am Donnerstag in Bonn. Eine große Koalition stehe nicht zur Debatte, pflichtete er dem SPD-Chef bei.

Vogel verwies wegen der Themen des Gesprächs auf seinen Brief an den Kanzler von Ende März. Darin hatte er eine Reihe von Forderungen an den Regierungschef erhoben, um in einer gemeinsamen Aktion der wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Kräfte den völligen Zusammenbruch in den neuen Ländern zu verhindern. Die SPD erhöbe dabei nicht den Anspruch, daß all ihre Forderungen nach Punkt und Komma erfüllt werden. Kohl müsse aber „Zeichen setzen“. Als Beispiel nannte Vogel den Verzicht auf die von der Koalition geplante Abschaffung der Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer.

Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, forderte im Einklang mit der SPD den Verzicht auf die geplante Abschaffung der Vermögenssteuer. Angesichts der allgemeinen Steuererhöhungen dürften nicht für besonders Reiche Steuern in Höhe von acht Milliarden Mark gesenkt werden. Einen solch „eklatanten Verstoß gegen die soziale Symmetrie“ könne die Koalition nicht verantworten, sagte Fink, der auch DGB-Vize ist.

In diesem Sinne äußerte sich auch die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier. Offenbar wolle Kohl es nicht riskieren, von der Koalitionsvereinbarung mit der FDP abzuweichen. Die jüngsten Warnungen der Liberalen, ein Verzicht auf Vermögenssteuerabschaffung sei ein „absoluter Wortbruch“, bezeichnete sie als offene Drohung. Kohl müsse den Koalitionsstreit beenden und die SPD-Forderungen erfüllen.

Die Bedenken der FDP gegenüber einer Zusammenarbeit zwischen dem Kanzler und der SPD-Führung kritisierte der stellvertretende SPD- Chef Wolfgang Thierse als „parteipolitische Kleinkariertheit“. Sollten sich Regierung und Opposition nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen, und sollte sich die Wirtschaftskrise in den neuen Ländern weiter verschärfen, dann müsse über „Neuwahlen nachgedacht“ werden.

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