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Der Platz hinter der Müllhalde

■ Das Sinti-Lager am Warturmer Platz: Ausstellung zur Geschichte einer Verdrängung

Ein trostloser Platz in Warturm, am äußersten Rand von Woltmershausen. Zwei Plumpsklos, ein Wasseranschluß, im Hintergrund die Müllkippe mit blutverschmierten Krankenhausabfällen. Der Platz ist umgeben von einem hohen Zaun. Als 1955 die neuen Bewohner diesen Platz bezogen, lag die Assoziation mit Konzentrationslager noch sehr nahe, besonders weil es sich bei den Angesiedelten um Sinti handelte, von denen viele eben erst Auschwitz überlebt hatten.

Zu den Menschen mit Wohnwagen gehörte der damals vierjährige Max Reichert. Er ist heute Vorsitzender des Bremer Sinti Vereins. Im Kulturladen Pusdorf hat er jetzt eine Ausstellung zum „Sinti-Platz am Warturm“ eingerichtet. Fotos und erläuternde Texte geben einen kleinen Eindruck vom jämmerlichen Leben der Bremer Sinti, die dort mit 20 — 25 Familien (pro Familie 8 — 9 Kinder) hausten.

Max Reichert zeigt damit ein Stück seiner persönlichen Geschichte — auf einigen Fotos kann man ihn als Jungen sehen — sowie der deutschen Nachkriegsgeschichte, deren Verdrängungsmechanismen im Fall Warturmer Platz augenfällig werden. Darüber hinaus geht es auch um Lokalgeschichte, da, wie Reichert durch Umfragen herausfand, die Pusdorfer kaum von der Existenz dieses Lagers wußten.

Die Beschaffung des Bildmaterials ist eine eigene Geschichte. Die Sinti hatten keine Fotoapparate. Aber immer wieder tauchten in missionarischer Absicht die Zeugen Jehovas im Lager auf, verschenkten Süßigkeiten an die Kinder und machten eine Menge Fotos. Durch einen Zufall erfuhr Reichert bei den Vorbereitungen zur Ausstellung von einer noch lebenden „Zeugin“ auf einem Dorf bei Cuxhaven, und dort wurde er fündig. Die alten Farbaufnahmen zeigen orgelpfeifenmäßig aufgereihte Kinderscharen und die in späteren Jahren errichteten Wohnbaracken sowie Wohnwagen und den rümpeligen Platz. Und Feste. „Der Zusammenhalt war stärker damals,“ sagt Max Reichert.

1978 wurde der Platz von der Stadt aufgelöst und die Bewohner auf ganz Bremen verteilt. In Woltmershausen leben heute noch fünf Familien, in ganz Bremen etwa zweieinhalbtausend Sinti. Diskriminierung der Sinti gibt es auch heute, das weiß Reichert auch von seiner Tätigkeit im Modellprojekt „Schulische Integration von Sintikindern“. Für die Sache der Sinti arbeitet er ohne Unterlaß. Wird er im Geschäft mit „Zigeuner“ angesprochen, erklärt er gern und geduldig, daß dieses Wort ihn beleidigt, weil es zu oft zu „ziehender Gauner“ verballhornt wurde.

Geerd Weber vom Kulturladen berichtet, daß die Ausstellung durchaus wahrgenommen wird: Heutige Warturmer kommen, Leute, die sich für Sinti interessieren, Nachbarn. Noch nicht wahrgenommen wurde das Angebot von Reichert, Führungen für Schulklassen zu machen. Am letzten Aprilwochenende (27./28.) findet im Kulturladen in der Reihe „Menschenrechte — Menschenrechtsverletzungen“ ein Seminar zum Thema statt.

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