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Recycling-Hof will Profi werden

■ Mit mehr Geld könnten die Abfallverwerter erheblich effektiver arbeiten/ Composter wäre marktfähig

Die Umweltdeputierten und ihre Senatorin Eva-Maria Lemke- Schulte standen am Donnerstag nachmittag andächtig um den „Tresor“ im Kühlschrank-Format, während Eckehard Gérard, Leiter des Recycling-Hofes Findorff in der Insbrucker Straße, die Funktion des Komposters erklärte: Der biologische Abfall zerfällt in der abgeschlossenen Kammer unter einer konstanten Temperatur von 60 Grad und produziert so wesentlich schneller Kompost als natürliche Bedingungen das zulassen. Das Geheimnis des Komposters besteht darin, nur soviel Luft in der Kammer zu lassen, wie der Abfall zum faulen bracht. Das „Gerät“ wurde von dem ehemaligen AG-Weser- Meister Heinz Rulappe im Rahmen eines Projektes der Bremer Jugendwerkstätten entworfen und allein im letzten Jahr ungefähr 3.000 Mal verkauft.

Mit der Entwicklung des Komposters hat der Recycling-Hof eine echte Marktlücke getroffen, die bei entsprechender Produktion schwarze Umsatzzahlen für das Subventionsprojekt bringen könnte. „Wir können aber über die Jugendwerkstätten maximal Material für 200 Komposter bestellen“, erklärte Gérard den Deputierten das Dilemma des Recycling-Hofes: Gute Ideen werden entwickelt, sind marktfähig und dürfen nicht gewinnbringend verkauft werden, weil der Verein gemeinnützig ist. Die zweite Hürde vor dem Sprung in die Professionalität: Es gibt kaum feste Stellen: Der Recycling-Hof Findorff arbeitet mit 70 ABM und 30 BSHG-§19- Stellen (vgl. taz vom 26.3.91).

Hauptkostenfaktor ist die Bezahlung des Personals. Finanzielle Morgenluft wittern die Abfallverwerter nur auf zwei Gebieten: Der Entwicklung von ökologischen „Geräten“, wie der Komposter, und die betriebliche Umweltberatung. Gérard: „Wir haben Anfragen von McDonald's, C&A und Krupp Atlas Elektronik, die von uns komplette Abfallvermeidungsprogramme kaufen wollen. Aber wir haben auf Grund unserer personellen Ausstattung kaum die Möglichkeit, diese Marktlücken zu nutzen, obwohl wir das know-how haben.“

Senatsdirektor Jürgen Lüthge, ebenfalls unter den Gästen des Recycling-Hofes am vergangenen Donnerstag, konterte: „Wenn wir feste Stellen einrichten, dann gehen uns siebenstellige Subventionsgelder verloren.“ In den nächsten vier Jahren sei aus Bonn noch allerlei zu holen, aber „wenn wir feste Stellen einrichten, versiegt diese Quelle.“

Bisher werden die Recycling- Höfe aus den Senatsressorts Umwelt, Arbeit und Soziales gespeist. Jetzt soll auch der Wirtschaftssenator noch ran: „Rüstungsfirmen bekommen Wirtschaftsförderung in Millionenhöhe, während wir mit unsere ökologischen Produkten bisher leer ausgegangen sind“, klagte G'erard und fand damit bei den Umweltdeputierten Beifall. Der Recycling-Hof hat dazu jetzt eine Bremer Innovations- und Recycling GmbH gegründet, für die Wirtschaftsförderungsmittel beantragt sind. Für eine professionelle Beratung, so hoffen die Recycler, gebe es auf dem Markt riesigen Bedarf.

Eine Professionalisierung festige darüberhinaus auch die Beschäftigungsstrukturen innerhalb des Recycling-Hofes. Georg Heidel, zuständig für die Weiterbildung der BSHG-19er und ABMs verspricht sich von festen Stellen einen erheblichen Motivationsschub seiner Mitarbeiter. „Wenn wir hier ordentlich ausbilden können, dann haben die Leute auch eine berufliche Perspektive.“

Grund genug gebe es allemal für eine finanzielle Unterstützung aus dem Umwelt-Ressort: Bislang entsorgt allein der Recycling-Hof Findorff pro Jahr 2.000 Tonnen Abfall, die der Umweltbehörde pro Tonne etwa 200 Mark Transport- und Verbrennungskosten erspart. Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke- Schulte zeigte sich von den Leistungen und Zielen der Findorffer Müllvermeider beeindruckt. Eine Zusage über feste Stellen gab sie aber nicht. Dafür hatte sie den Recyclern ein kleines Trostbonbon mitgebracht: Am kommenden Montag soll die Umweltdeputation 50.000 Mark aus Lottomitteln für die Anschaffung zweier Geschirrmobile bewilligen, die den Plastikrest von rauschenden Bremer Festen entsorgen werden. Markus Daschner

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