Das Zusammenleben mit fremden Kulturen üben

■ Friedrichshainer Aktionstag gegen Ausländerfeindlichkeit gut besucht/ Neonazis beschmierten Plakate mit Hakenkreuzen

Friedrichshain. Dort, wo die stuckbeladenen Fassaden der Karl-Marx- Allee dem alten Ostberliner Bezirk Friedrichshain den Rücken zuwenden, tönte am frühen Samstag morgen fröhliche deutsche Blasmusik. Hunderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene hatten sich im Schülerzentrum in der Kadiner Straße versammelt — zum ersten Friedrichshainer Aktionstag gegen Ausländerfeindlichkeit unter dem Motto »Gemeinsam leben«.

Die Idee zu der Veranstaltung stammte von der Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur, Marita Knauf. Die Ostberliner, meinte sie, seien noch ungeübt im Zusammenleben mit ausländischen Mitbürgern. Der Anteil von Mitbewohnern aus fremden Kulturkreisen wird aber steigen, wenn auch im Bezirk Friedrichshain Asylbewerber aufgenommen werden. Grund genug, die deutschen Bewohner des Stadtteils sozusagen präventiv zu sensibilisieren. In ihrer Eröffnungsrede rief Marita Knauf zum »Abbau von Gleichgültigkeit und Intoleranz« auf.

Wie nötig das tatsächlich zu sein scheint, hatten die Veranstalter erfahren, als sie die abends zuvor aufgestellten Plakatwände zum Aktionstag mit Hakenkreuzen beschmiert vorfanden. Die Symbole des dumpfen Ausländerhasses waren schnell beseitigt — »wir hatten so etwas schon befürchtet« —, doch die Angst vor Übergriffen von Skinhead-Banden manifestierte sich in dem Einsatzwagen der Polizei, der den ganzen Tag vor der Pforte des Schülerzentrums stand. Dennoch waren viele junge Familien gekommen, um den sonnigen Tag mit ihren Sprößlingen an vielfältigen Spielständen zu verbringen. Die Zettel mit den Veranstaltungshinweisen, die ins Polnisch, Spanische, Türkische, Portugiesische, Vietnamesische, Russische, Hebräische und Arabische übersetzt waren, blieben allerdings größtenteils liegen — nicht viele ausländische Besucher waren gekommen. Verständlich in einem Bezirk, in dem laut dem Friedrichshainer Bürgermeister Helios Mendiburu insgesamt nur 1.050 Ausländer wohnen, und das meist schon seit langer Zeit. Gut besucht waren dagegen die Gesprächsrunden mit Themen wie »Leben unter Deutschen«, »Gleiches Recht für alle?«, »Negerküsse und Pizzaleben« und »Lust oder Frust«. Letztere waren symptomatisch für die teilweise Hilflosigkeit im Osten, wo oft einfach die Erfahrungen mit dem Zusammenleben mit Ausländern fehlen: So hatte man zum Thema »Schule in Deutschland, Probleme, Zukunftsvorstellungen« den Fachmann aus dem Westen geladen. Ein Schulleiter aus Kreuzberg, dessen Schule zur Hälfte von ausländischen Kindern besucht wird, warnte die Ostler davor, die Fehler Westberliner Schulen zu wiederholen; etwa die sogenannten Ausländerregelklassen, in denen die ausländischen Kinder getrennt von ihren deutschen Klassenkameraden unterichtet werden, was ein zweiklassiges Ausbildungssystem schaffe. Einig waren sich alle Beteiligten, daß es mehr Absprachen zwischen den Ost-Bezirken geben müsse, um den für den Ostteil der Stadt neuen Phänomen begegnen zu können.

Die mitwirkenden Gruppen, unter anderem die jüdische Gemeinde Ost, das Finnland Zentrum und das Evangelische Zentrum Cabana, waren mit dem Fest zufrieden. Den meisten Spaß hatten die Kleinen — auch ohne die Erwachsenen, die oft ihren Kindern etwas verkrampft wiederholten, man müsse »erst mal mit den Ausländern reden«. Am Morgen hatte der Schriftsteller Gerhardt Holtz-Baum noch gesagt: »Die Jüngsten sind noch offen. Sie müssen so früh wie möglich immun gemacht werden gegen Ausländerhaß und Chauvinismus. Und dafür kann ein Fest wie dieses nur gut sein.« Karen Pfundt