: Klangteppich-betr: "All that Jazz!", taz vom 9.4.91
betr.: „All that Jazz!“,
taz vom 9.4.91
Jetzt entdecken auch die taz-Redakteure ihre längst verstaubten Miles- Davis-Platten. Wolfgang Seemanns Loblied über bundesdeutsche Radiosender, die irgendwelchen Jazz spielen, läßt tief blicken. Unter anderem berichtet er von der Jazz-Welle Plus, die sich in Hamburg für eine nichtkommerzielle Frequenz bewirbt. Dieser Sender arbeitet in erster Linie gewinnorientiert, das heißt die HörerInnenzahlen sind entscheidend für die Programminhalte. John Zorn wird also hier nicht zu hören sein, allenfalls Jazzmusik, die nebenbei konsumierbar ist oder zumindest keine HörerInnen verschreckt. Würde Wolfgang Seemann sich für mehr als die Summe der gespielten Jazztitel interessieren, wäre ihm die Jazzredaktion von Radio St.Pauli sicher nicht entgangnen. Diese aussichtsreiche Mitbewerberin interessiert sich weniger für musikalische Modeerscheinungen in London, als vielmehr für unkonventionelle Musik. Jazz an sich ist noch lange nicht hörenswert, eben deshalb wird er bei kommerziellen Sendern hin und wieder gespielt. Torsten Wezel, Hamburg
[...] Leider beklagen Sie das Schattendasein des modernen Jazz in weiten Bereichen deutscher Rundfunklandschaft zu recht. Allerdings wäre den Fans dieser Musik doch wohl eher geholfen, wenn sie nicht nur über den Mangel an solchen Spezialprogrammen unterrichtet würden (denn den kennen die meisten aus leidvoller Erfahrung wohl selbst), sondern auch und gerade über mögliche Zugänge zu New Jazz im Radio. Denn: es ist keineswegs so, daß sich beispielsweise das von Ihnen erwähnte Hamburger Jazzpublikum mit NDR und Klassik-Radio „begnügen“ müßte. Auf der Hamburger UKW-Frequenz 88.7 MHZ nämlich erweist sich der Deutschlandfunk mal wieder als klein, aber fein — er sendet in nur einem Programm immerhin mehr als fünf Stunden wöchentlich Jazz und zeitgenössische Improvisierte Musik im weitesten Sinne, von modernem Mainstream über Fusion bis Avantgarde — und das nicht nur zu späten Nachtzeiten!
Mit ein wenig mehr zuverlässiger Information und demnach sachlicher Kritik ersparen Sie vielen Jazzfans Ärger und Resignation. Harald Rehmann, Deutschlandfunk Abteilung Musik,
Redaktion Jazz, Köln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen