"Euphronios der Maler"

■ Antikes Blut im Antikenmuseum

Als Platon, der Philosoph, geboren wurde, war Euphronios (geb. 535 v. Chr.), der Töpfer, schon fünfzig Jahre tot. Als Platon um 360 in »Symposium und Phaidros« sein Ideal auch auf die Kunst ausdehnte, hatte man Euphronios schon längst vergessen. Platons idealistisches Kunstverständnis war lange Zeit maßgebend für das der Antike. Lediglich die Dichter und Rhapsoden — oft selbst Adelige — wurden gesellschaftlich anerkannt. Praxiteles, den Bildhauer, ließ man noch gelten, hie und da einen Maler, doch Töpfer waren — unverhohlenerweise — Kapitalisten, Großproduzenten. Riesige Werkstätten, strikte Arbeitsteilung, Serialisierung der Produkte. Sogar aus der Innenstadt hatte man sie verbannt. Auch Euphronios, der Töpfer und Maler, mußte vor den Toren im Keramaios wohnen und arbeiten, damit der Rauch seiner Öfen die anderen Bewohner nicht belästigt.

Die Ausstellung »Euphronios der Maler« nimmt sich der Antike auf etwas ungewohnte Weise an. Hier geht es nicht um weitgespannte Museumsarchäologie, umfassende kulturhistorische Recherchen und Fußnoten; auch der leidige Streit um Geometrismus und Naturalismus seit Hauser wird nicht an Erläuterungstafeln ausgefochten. Gezeigt wird vielmehr Warenkultur des Alltags: Vasen, Amphoren, Schalen, Kelche. Das Besondere: sie stammen allesamt aus der Werkstatt eines Töpfers, bemalt von der Hand desselben Meisters.

Mit Euphronios gelingt es (selten genug) einem der Meister der antiken Kleinkunst aus der Anonymität seiner Scherben herauszutreten. Lange Zeit unbekannt, waren sie lediglich den Ikonographen ein Begriff, die ihre Signaturen und Hausmarken katalogisierten. Das Kunstverständnis der Antike bis zur Romantik ignorierte die Individualität und die Meisterschaft der Zeichnungen und Vasenmalereien.

Eine persönliche Zuordnung schien ausgeschlossen, trotz Signatur; die Malereien auf den Töpfereien galten schlicht als Blaupause. Doch Euphronios war nicht irgendwer. Er ist der erste große Meister, der der Tradition der schwarzfigurigen Technik auf hellem Untergrund, die Umkehrung der Farbwerte entgegensetzte, indem rote Figuren vor dunklem Hintergrund sowohl geritzt als auch mit dem Pinsel aufgetragen werden. Die Abkehr von der Ritztechnik und die Wärme der nuancenreichen Rottöne auf seinen Vasen etc. stellen Euphronios an den Anfang einer zweihundertjährigen Schule, die sich Schritt für Schritt vom Ursprung der symbolhaften Silhouetten löst, die Figuren beweglicher und ätherischer macht und den antiken Alltag abzubilden beginnt. Das Blut, das den Heroen Euphronios' aus den geschlagenen Wunden strömt, ist das erste echte Blut auf antiken Vasen, denn durch Euphronios konnte es endlich rot sein. Volker Handloik

BIS26.MAI,LANSSTR.8,DAHLEM