piwik no script img

Authentisch sardisch

■ Elena Ledda sang zum Auftakt der „Roots Nights '91“ im Schlachthof

Unter dem Bandnamen „Suonofficina“ — Klangwerkstatt — sang sich die sardische Sängerin Elena Ledda schon vor vier Jahren in die Herzen des Bremer Publikums.

Inzwischen firmiert ihr Projekt unter ihrem eigenen Namen — zurecht, denn die an Sangeskünstlern reichen „Roots Nights“ des Schlachthofs sahen bislang keine Vokalistin von derart stimmgewaltiger Ausdruckskraft. Klassisch ausgebildet, widmet sie sich seit langem den traditionellen Klängen ihrer Heimat: Gesängen, die in ihrer Melancholie und Kraft geprägt sind von vielhundertjähriger Erfahrung mit Fremdherrschaft und Unterdrückung. Mit ihrer sich inzwischen „Sonos“ nennenden Gruppe bezieht sie dabei Einflüsse aus dem gesamten Mittelmeerraum ein.

So greift die Band schon mal Flamenco-Ideen auf, Mauro Palmas zitiert Griechisches auf der Mandola, und ein kunstvoll gesetzter A Capella-Refrain führt sogar auf die afrikanische Seite. Elena Ledda jedoch verläßt sardischen Boden nicht: Ihre kraftvolle, manchmal stark tremolierende und in allen Lagen spielerisch sichere Stimme verleiht allen Stücken eine durchgehende Identität. Die dichten Arrangements von Sonos behalten durchweg ihren authentischen Charakter — nie hatte man das Gefühl, einen Stilmischmasch zu hören.

Ein Vergleich liegt nahe: Im Herbst bereisten im Rahmen der Roots Nights “Mara!“ musikalisch die Levante, Sängerin Mara Kiek kopierte die Techniken der einzelnen Länder bis in stilistische Details, und die Band popularisierte die Volkslieder mit Jazzphrasen. Die Musiker um Elena Ledda erzielen ihre Breitenwirkung weniger abschweifig. Über die recht einfachen folkloristischen Muster von Mandola und zwei Gitarren (Enzico Frongia und Marcello Ledda) legte Pietro Sala einen rollenden Percussionsteppich, dem er auch mal rockmäßigen Drive verlieh. Eugenio Luglie steuerte auf der Querflöte, manchmal unterstützt vom schalmeiartigen sardischen Traditionsinstrument Launeddas (Marcello Ledda), Melodiebögen bei, die nur vereinzelt vom folkloristischen Boden in Richtung Jazz abhoben.

Häufige Soli auch der drei Saiteninstrumentalisten, überraschende Breaks und ein wohlkalkulierter, geradliniger Spannungsverlauf verliehen der Musik eine Dynamik, wie sie ähnlich mitreißend von rein akustisch besetzten Bands selten erreicht wird. Hinter dem opulenten Gesamteindruck verschwanden allerdings ein wenig die hervorragenden Qualitäten der Elena Ledda: Wer die letzte Platte kennt, hat sich vielleicht mehr von der dort so eindrucksvollen melancholischen Dramatik gewünscht. Doch das populäre Live-Konzept der Band verfehlte seine Wirkung nicht: Einhellig große Begeisterung im Schlachthof. Rainer Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen