Neue Struktur an Leib und Gliedern

■ Die Alternative Liste will auf einer Mitgliedervollversammlung am Wochenende eine Strukturreform beschließen/ Berlin als Pilotprojekt für Zusammenarbeit mit Bürgerbewegungen der Ex-DDR

Berlin. Wenn sich die Alternative Liste am Wochenende zu ihrer zweitägigen Mitgliedervollversammlung trifft, wird sie den Versuch unternehmen, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Zum einen will sich die Partei, die gemeinsam mit den Grünen aus dem Ostteil der Stadt seit dem 3. Oktober einen ganz normalen Landesverband der Bundesgrünen (offizieller Name seither: Grüne/AL) bildet, an Leib und Gliedern neu strukturieren. Zum anderen wollen aber zumindest einige Alternative auch eine Debatte über die künftigen Schwerpunkte grüner Politik führen.

Das Gelingen dieser Pläne hängt nicht zuletzt von der Zusammensetzung der Vollversammlung ab. Während der innerparteiliche Diskussionsprozeß für den eher realpolitisch orientierten Flügel noch nicht weit genug ist, um auch eine Resolution über Inhalte zu verabschieden, liegt vom eher linken Flügel schon eine Resolution vor. Die »Realos« der AL wollen vor allem die Strukturreformen an diesem Wochenende auf den Weg bringen.

Die Debatte um eine Neuorganisation der AL wird seit Jahren geführt — bisher ohne nennenswerte Ergebnisse. Nach dem für viele Mitglieder und Funktionäre traumatischen Einbruch bei den letzten Wahlen erhielt die Debatte jedoch die nötige Zuspitzung. Die Schwierigkeiten während der Regierungsbeteiligung lagen auch an den als kontraproduktiv empfundenen Strukturen der Partei.

Die Fraktion im Abgeordnetenhaus, der Parteivorstand, die Senatsmitglieder und die Basis waren ständig mit Abstimmungen beschäftigt, wo rasche Entscheidungen gefordert gewesen wären. Seit der letzten Vollversammlung im Dezember des vergangenen Jahres sind sich viele einig, daß eine Reform jetzt überfällig ist. Nicht zufällig sollen an diesem Wochenende Beschlüsse gefaßt werden: Sieben Tage später findet in Neumünster der Bundesparteitag der Grünen statt, auf dem ebenfalls eine Strukturreform diskutiert werden soll. Auch in anderen grünen Landesverbänden wurde bereits Ähnliches beschlossen.

Zu den Berliner Anträgen: Sowohl der Parteivorstand (GA) als auch sechs der insgesamt zwölf Westberliner Bezirke sowie ein Antrag des ehemaligen Abgeordneten Statz schlagen zwei große Änderungen vor. Als wichtigste Neuerung soll eine sogenannte Landesdelegiertenkonferenz (LDK) eingeführt werden, die die bisherige Form der Mitgliederversammlung wenn nicht ganz abschafft, aber seltener machen soll.

Bisher ist die MVV gewissermaßen der Souverän der AL, also das höchste beschlußfassende Gremium. Wegen der meist nur zufälligen Zusammensetzung dieser Versammlungen hatten viele ihrer Beschlüsse eine gewisse Beliebigkeit. Die LDK soll nun aus etwa 150 Delegierten bestehen und vier- bis fünfmal im Jahr tagen. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es darüber, wie die Delegierten bestimmt werden. Die MVV soll nur noch »bei ganz wichtigen Fragen« zusammengerufen werden und dann auch nur ab einer bestimmten Zahl von Anwesenden beschlußfähig sein.

Als zweite wichtige Neuerung soll der Delegiertenrat abgeschafft werden. Er ist bisher die zweithöchste Instanz, in ihm sitzen gleichberechtigt die Bezirke und die Fachbereiche. An seiner Stelle soll künftig ein Landesausschuß (LA) gewählt werden, in dem erstmals die bisher strikte Trennung von Amt und Mandat aufgehoben wird. Doch hierbei gibt es unterschiedliche Vorstellungen über die Auswahl und Zusammensetzung dieses Gremiums. In jedem Fall sollen in ihm auch Mitglieder aus dem Parteivorstand und der Fraktion sitzen — bislang ein Tabu. Änderungen könnte es auch im Parteivorstand geben, der derzeit aus neun Personen zusammengesetzt sein soll, in dem sich aber nur sieben Personen befinden. Er soll im Juni neugewählt und möglicherweise wie in der Bundespartei mit zwei professionellen Sprechern ausgestattet sein.

Während die Strukturreform recht gut vorbereitet ist, ist der innerparteiliche Versuch, nach der Wahlniederlage der Grünen und der deutschen Einheit ein neues Profil zu finden, noch in vollem Gange. Die Einsicht, daß man bei der Herstellung der deutschen Einheit kaum Konzepte lieferte und zudem klassische grüne Themenfelder wie Ökologie, Frauenfrage und demokratische Transparenz mittlerweile fester Bestandteil von Sonntagsreden aller Parteien sind, beschäftigt die grüne Partei. Auch mit Blick auf den Bundesparteitag liegt zur inhaltlichen Neubestimmung ein Resolutionsantrag des »Mitte-Links-Flügels« vor, der eine Verbindung von Ökologie und sozialer Frage im Auge hat. Ein Anliegen der Antragsteller ist es, Berlin als Pilotprojekt für die Zusammenarbeit mit den östlichen Bürgerbewegungen zu profilieren. Nach der Bildung der gemeinsamen Fraktion im Abgeordnetenhaus will man nun die Zusammenarbeit auf bezirklicher Ebene stärken. Kordula Doerfler