Arbeitsplätze im Öko-Bau

■ „Ökowerkstatt“: Perspektiven für jugendliche Langzeitarbeitslose

Einerseits gibt es trotz der guten wirtschaftlichen Situation eine auf extrem hohem Niveau stabilisierte Arbeitslosigkeit, auf der anderen Seite zeigt sich gerade im Umweltschutz — auch im lokalen Bereich — erheblicher Handlungsbedarf. Diesen Widerspruch sind wir mit unserem Projekt direkt angegangen“, sagt Martin Kastranek aus dem kleinen Ort Malkwitz in der Holsteinischen Schweiz. Er ist Mitarbeiter der Bildungs- und Begegnungsstätte im Tagungshaus Kornhof und Initiator der dort angesiedelten ökologisch orientierten Werkstatt, kurz „Ökowerkstatt“. Hier arbeiten seit Ende des vergangenen Jahres zehn schwerstvermittelbare und langzeitarbeitslose junge Menschen zwischen 18 und 26 Jahren in einer auf 24 Monate angelegten Qualifizierungsmaßnahme. Und die hat bundesweit Modellcharakter.

Was in dem theoretischen Konzept der Ökowerkstatt als „Entwicklung von Know-how und Produkten im Bereich zukunftsweisender Umwelttechnologien und Recycling-Arbeiten“ bezeichnet wird, ist in der Praxis schon deutlich vorangeschritten. Aus den zwei alten Scheunen, die auf dem Gelände des Kornhofes stehen, werden in wenigen Monaten schmucke neue Gebäude entstanden sein — aus Lehm und gebrauchten Materialien. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben in der letzten Zeit alte Fenster, Bohlen, Dielen, Steine und Sanitäranlagen gesammelt und zum Teil bereits verbaut. „Wir wollen hier Möglichkeiten der Wieder- und Weiterverwendung gebrauchter Materialien ausloten und damit neue Wege in der Abfallvermeidung und Abfallverwertung gehen“, sagt Martin Kastranek. Weitere Materialspenden werden gern noch angenommen.

Die Wände der Scheunen werden nach alter Handwerkerweise in einer Lehmbaukonstruktion erstellt, beide Gebäude erhalten ein Grasdach. Bei diesen Arbeiten lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nur den Umgang mit neuen alten Werkstoffen und traditionellen Handwerksmethoden kennen, sondern auch ökologisch sinnvolle Bauplanungen.

Die Wände der Scheunen in alter Lehmbaukonstruktion, darüber ein Grasdach

So haben die Planer bei der Neugestaltung der beiden Gebäude auf eine weitgehende Ausnutzung passiver Energien und eine sinnvolle Anordnung der Räume besonderen Wert gelegt. Bei der Renovierung der Innenräume sollen verschiedene umweltfreundliche Farben und andere Baustoffe verwendet und in den kommenden Jahren auf ihre Haltbarkeit und Auswirkungen hin untersucht werden. Im theoretischen Unterricht, der die praktischen Arbeiten begleitet, geht es vorrangig um die Auswirkungen unterschiedlicher Baustoffe auf das Raumklima und die Umwelt.

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wollen ihr Wissen aber nicht für sich behalten, sondern zum Nutzen der Umwelt einsetzen. So sollen die beiden umgebauten und nach ihrer Fertigstellung behindertengerecht eingerichteten Gebäude als konkrete Anschauungsobjekte für ökologische Bauweisen, als Schulungsräume für Fachtagungen und Seminare und als Arbeitsräume für die Ökowerkstatt genutzt werden. Denn deren Arbeit geht dann eigentlich erst richtig los. So stehen die Erforschung weiterer Möglichkeiten passiver Energienutzung, der Bau und die Installation von Sonnenkollektoren und die Erstellung von Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken in Form von Modellen auf dem Arbeitsplan der Malkwitzer Ökowerkstatt. Der Garten des Tagungshauses Kornhof soll unter ökologischen Gesichtspunkten umgestaltet, und mit dem Bau eines Klärteiches soll eine Antwort auf die örtlichen Entwässerungsprobleme der Gemeinde Malkwitz gegeben werden.

„Uns geht es darum“, so Bodo Rethmann, einer der Leiter der Ökowerkstatt, „mit unseren Kenntnissen und Produkten auch die Kommunen in unserem Einzugsgebiet und die örtliche Wirtschaft zu erreichen. Es kann nicht Ziel der Maßnahme sein, junge Menschen zu qualifizieren und sie dann nach Ablauf von zwei Jahren wieder in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.“ Statt dessen sollen im Rahmen der Ökowerkstatt einige Dauerarbeitsplätze geschaffen und Teilnehmer und Teilnehmerinnen nach Ablauf der Maßnahme auf zeitlich unbefristete Arbeitsplätze in den örtlichen Handwerks- und Wirtschaftsbetrieben vermittelt werden. Erste Kontakte sind bereits geknüpft, mehrere Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den umliegenden Kommunen und der örtlichen Wirtschaft bereits überlegt. So könnten Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Ökowerkstatt bereits während der zwei Jahre für mehrere Monate in örtlichen Betrieben eingesetzt, Mitarbeiter aus Handwerks- und Wirtschaftsbetrieben auf dem Kornhof in Fragen des Umweltschutzes und der Umwelttechnik weitergebildet werden.

Eine Ökowerkstatt zur Entwicklung und Vermarktung von umwelttechnischen Arbeitsgeräten

In einem zweiten Schritt sollen dann umweltfreundliche Produkte und umwelttechnische Arbeitsgeräte, die in der Ökowerkstatt entwickelt und erstellt worden sind, angeboten werden. Für die fernere Zukunft denkt Kastranek bereits an den Aufbau eines Beratungsdienstes der Ökowerkstatt, der den örtlichen Betrieben Informationen und Hilfe bei der Umstellung auf ökologische Produkte und Produktionen anbietet.

Kastranek und Rethmann hoffen, daß die Ökowerkstatt auf diesem Wege für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die sich bisher erheblichen Problemen auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sahen, eine langfristige berufliche Orientierung ermöglicht. Damit wäre ein Ziel erreicht, das bei vielen anderen Qualifizierungsmaßnahmen auf der Strecke bleibt. Heino Schomaker