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Countdown in der Hauptstadtfrage

■ Gipfeltreffen mit von Weizsäcker, Kohl, Süssmuth, Voscherau und drei Fraktionschefs heute/ SPD-Fraktionsvize Ingrid Matthäus-Maier plädiert ausgerechnet bei taz-Besuch für die Beibehaltung des Regierungs- und Parlamentssitzes in Bonn

Berlin/Bonn. Der Countdown um die Entscheidung über Regierungs- und Parlamentssitz läuft nun unerbittlich: Heute kommen auf Einladung von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth in Bonn die Fraktionschefs des Bundestages und die jeweiligen Spitzen der anderen Verfassungsorgane zusammen, um über das Verfahren zur Entscheidungsfindung zu beraten.

Voraussichtlich auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, am 20. oder 21. Juni, wird der Bundestag über den künftigen Sitz von Regierung und Parlament abstimmen. Nachdem mittlerweile kein Tag mehr vergeht, an dem sich nicht ein oder mehrere Politiker für oder gegen Bonn beziehungsweise Berlin ins Zeug legen, wächst der Druck, nun endlich eine Entscheidung zu treffen.

Bei einem Besuch in der taz äußerte sich gestern die Bonner Eigenheimbesitzerin Ingrid Matthäus-Maier (stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende) ebenfalls zur Hauptstadtfrage: Im Gegensatz zu ihrem Chef Hans-Jochen Vogel plädierte sie für eine Beibehaltung des Status quo. »Damit ist eine doppelte Brückenfunktion erfüllt: Berlin bildet die Brücke zum Osten, Bonn zur europäischen Gemeinschaft.« Jede Mark soll nach Ansicht der SPD-Finanzfachfrau lieber in den Aufbau der neuen Bundesländer gesteckt als für den Um-ug des Parlaments ausgegeben wer-en.

Bei der Sitzung soll nicht das Pro oder Contra geklärt, sondern das Verfahren der Entscheidungsfindung geregelt werden. Zur Disposition stehen ein einfacher Beschluß und ein regelrechtes Gesetz. Dieser Unterschied ist insofern wichtig, als bei einem Gesetz auch im Bundesrat zugestimmt werden muß — dort ist die Gemengelage zwischen Bonn- Befürwortern und Ablehnenden undurchsichtig. Auch, ob geheim oder öffentlich abgestimmt wird, soll heute geklärt werden.

In Schweigen hüllt sich nach wie vor der Kanzler, dessen Wort in der Entscheidungsfindung viel an Gewicht beigemessen wird. Morgen wird in Bonn die Unionsfraktion intern über die Hauptstadtfrage beraten, Kohl nimmt jedoch wegen eines Besuchs bei Frankreichs Präsident Mitterrand nicht an dem Treffen teil. Mit einem Ergebnis ist dort ebensowenig zu rechnen wie bei der entsprechenden Sitzung der SPD in der vergangenen Woche. Insider im Schöneberger Rathaus, die Kontakt zu den Bundestagsfraktionen halten, rechnen aber übereinstimmend sowohl bei der Union als auch bei den Sozialdemokraten mit einer leichten Mehrheit für Bonn. Sollte Helmut Kohl, wie der 'Spiegel‘ in seiner jüngsten Ausgabe behauptet, noch in dieser Woche »Position beziehen«, könnte das allerdings den Ausschlag geben.

Unberührt von der aktuellen Stimmung sieht der Berliner Bundessenator Peter Radunski (CDU), ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Union und langjähriger Kohl-Berater, für Berlin alles positiv. Seiner Einschätzung nach, erklärte er gestern im RIAS, hätten sich die Chancen für Berlin deutlich verbessert. kd

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