: Costa Ricas Lebensader zerschnitten
Das Erdbeben in Costa Rica und Panama forderte über 100 Tote und zerstörte wichtige Straßen ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard
Die vier Erdstöße, die am Montag zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags Ortszeit den Osten Costa Ricas und den Nordosten Panamas erschütterten, sind in ihrer Intensität durchaus vergleichbar mit dem schweren Beben, das vor 18 Jahren die nikaraguanische Hauptstadt Managua zerstörte, mit dem Beben das 1976 Tausende Opfer in Guatemala forderte und mit den Erdbeben von Mexiko und San Salvador 1985 und 1986. Die jetzigen Zerstörungen und vor allem die Todesopfer sind jedoch geringer, da das Epizentrum in Sixaola, einem relativ dünn besiedelten Gebiet an der Atlantikküste lag. Eine Anzahl von Dörfern ist den spärlichen Berichten zufolge jedoch zu 80 Prozent zerstört worden. Zuletzt war von mindestens 74 Todesopfern die Rede. Wahrscheinlich ist jedoch, daß über hundert Menschen unter einstürzenden Gebäuden begraben wurden.
Die Straße, die Costa Ricas Hauptstadt San José mit dem 160 km entfernten Atlantikhafen Puerto Limon verbindet, ist durch einen tausend Meter langen und sieben Meter tiefen Riß unpassierbar geworden. Brücken sind eingestürzt, die Telefonleitungen unterbrochen. Vor allem die Zahl der Obdachlosen und Verletzten dürfte in die Zehntausende gehen. Nachdem das städtische Krankenhaus von Limon wegen Einsturzgefahr evakuiert wurde, müssen die Ärzte unter freiem Himmel operieren. Der Brand in einer Raffinerie der staatlichen Erdölgesellschaft RECOPE konnte inzwischen gelöscht werden. Doch die Schäden werden auch nachhaltige wirtschaftliche Auswirkungen für Costa Rica haben, da 60 Prozent des Exports über die zerstörte Straße gehen. Ein kürzlich von der Weltbank gewährter Kredit von 60 Millionen Dollar soll nun für den Wiederaufbau der Straße genutzt werden.
Aus aller Welt treffen inzwischen Hilfsgüter, Decken, Zelte und Medikamente ein. Die Schweizer Katastrophenhilfe hat eine Gruppe mit den bereits in Mexiko und El Salvador erprobten Suchhunden entsandt. Die nikaraguanische Armee schickte Hubschrauber für den Transport von Verletzten und Hilfsmaterial. Auch Venezuela und die USA reagierten rasch auf den Hilferuf der costaricanischen Regierung.
Panamas Präsident Endara, der noch keine Auskunft über das gesamte Ausmaß der Schäden in seinem Land geben konnte, sagte den für Ende der Woche vorgesehenen Landwirtschaftsgipfel der zentralamerikanischen Präsidenten ab. Mindestens 24 Todesopfer soll das Beben in der panamaischen Provinz Boca de Toro gefordert haben, wo seit 1916 kein großes Erdbeben registriert worden war.
Tausende Costaricaner sind noch immer nicht in ihre Wohnungen zurückgekehrt, da mehr als 500 Nachbeben von unterschiedlicher Intensität die verzweifelte Bevölkerung des Zweieinhalbmillionen-Staates nicht zur Ruhe kommen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen