: Klavier kieloben
■ Die Sammlung „Kielklaviere« im Musikinstrumenten-Museum
Damit zu Beginn keine Mißverständnisse aufkommen, muß man sagen, daß »Kielklaviere«, von denen derzeit 45 historische Exponate im Berliner Musikinstrumenten- Museum ausgestellt werden, nichts, aber rein gar nichts zu tun haben mit der Stadt Kiel, den Schiffskielen oder Schifferklavieren und sogenannten Äquatortaufen, wo Seebären Absaufspiele trieben. Statt dessen handelt es sich bei Kielklavieren um die Vorläufer unserer Hammerklaviere. Schnellt heute durch die Schläge auf weiße und schwarze Tasten ein Hämmerchen über viel Mechanik an die Saiten, so waren die Kielklaviere technisch weniger ausgereift. Dafür aber erotischer. Doch dazu später.
Kielklaviere, so sieht und hört man im Museum, bezeichnet man alle Tasteninstrumente, bei denen jede Saite von einem am Springer (so heißt der Holzstift, der durch den Tastendruck nach oben in Richtung Saite »springt«) befestigten »Kiel« angezupft wird. Der Kiel bestand zumeist aus einem Rabenfederkiel. Wenn also so eine Saite angezupft wurde und Töne zu hören waren, wußte man, jetzt spielt wieder jemand »Kielklavier«. Das »Kielklavier« ist besser bekannt unter den Namen Cembalo, Spinett und Virginal — aber die feinen Unterschiede ganz zu erklären reicht die Zeit nicht. Jedenfalls sieht jedes Kind, daß es sich um ziemlich alte Instrumente aus dem 16./17. Jahrhundert und nicht um elektronische Hammondorgeln handelt. Die Kielklaviere hatten jenen silbrig metalligen Ton. Er versetzte die Luft in leichte Schwingungen, die sich am Besten mit quirlig jubilierenden Gewittern beschreiben lassen. Zur Vergegenwärtigung der akustischen Blitze sei an den höfischen Rockstar Georg Friedrich Händel erinnert, der mit schier unglaublicher Virtuosität neben J. S. Bach und Domenico Scarlatti im 18. Jahrhundert für Furore sorgte. Bei ihm zupfte es prallbarock.
Überhaupt sind die wunderbaren Kielklaviere des Musikinstrumenten-Museums kostbare Stücke, die sich jeder Keyboardfreak nicht entgehen lassen sollte. Einige der alten Stücke sind bereits derart vom Holzwurm zerfressen, daß man sich nicht mehr traut, neue Saiten zu spannen, aus Angst sie könnten beim Spiel herausspringen und das flügelige Gehäuse zusammenreißen. Andere sind restauriert und lassen sich anschlagen. Lustig sind die senkrechten, wie Hochhäuser gebauten Klaviere. In der letzten Abteilung sind fast neue Instru- mente zu sehen, die der Kielklavier-Renaissance am Ende des 19. Jahrhunderts entstammen, als mit guter alter Musik die Industriealisierung aufgehalten werden sollte.
Die schönsten Renaissance- und Barockkielklaviere jedoch sind die legendären Cembali aus der Werkstatt des in Antwerpen tätigen Johannes Ruckers und dem in Tournai wirkenden Albert Delin im 17. und 18. Jahrhundert. Die großen Flügel mit biblischen Szenen und mit Allegorien der Musik und der Kunst bemalt, wobei die prallen Nackten, die puppig Rosaroten und tänzelnd Dicken doch in der Mehrzahl sind. Draußen, in der Natur, so sieht man auf kleinen Tischkielklavieren, hielt man im Schatten ein Schäferstündchen. Zupfige Saiten klangen. Pan war nicht weit. Die Zeit stand still. rola
Bis zum 16. Juni im Musikinstrumenten am Kemperplatz, Di-Fr 9-17, Sa/So 10-17 Uhr
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